Ein sicheres Haus
Lebensmittel aus und räumte sie in den Kühlschrank. Elsie und Sophie würden vermutlich in ungefähr einer Stunde aus dem Park zurück sein. Ich ging in mein Schlafzimmer (obwohl ich persönlich »Abstellkammer«
treffender gefunden hätte für einen Raum, in dem ich mich an einer kleinen Kommode vorbeiquetschen mußte, um in mein Bett zu gelangen), nahm den Haufen schmutziger Kleider aus der Ecke und stopfte ihn in die Waschmaschine.
Ein Stoß Rechnungen lag auf dem Küchentisch, ein Stapel Geschirr wartete auf den Abwasch in der kleinen Spüle, Bücher und CDs standen schief aufgetürmt an den Wänden entlang. Der Abfalleimer quoll über. In Elsies Schlafzimmer herrschte das absolute Chaos. Die Pflanzen, die zahlreiche Freunde mir geschenkt hatten, als ich hier einzog, welkten in ihren Töpfen dahin. Achtlos goß ich Wasser hinein und summte dabei eine von Elsies kleinen Weisen, während ich im Kopf Listen erstellte. Das Reisebüro anrufen. Die Bank anrufen. Nicht vergessen, morgen mit Elsies Lehrerin zu sprechen. Morgen früh den Immobilienmakler anrufen. Ein Geschenk zu Olivias viertem Geburtstag kaufen. Den Bericht über das Zugunglück in Harrogate lesen. Den versprochenen Aufsatz für The Lancet schreiben. Jemanden kommen lassen, der eine Katzentür für Anatoly anfertigt.
Der Schlüssel drehte sich im Schloß, und Sophie wankte herein, beladen mit Elsies Picknickkorb und Springseil.
»Hallo«, sagte ich, während ich zwischen den auf dem Tisch verstreuten Briefen nach der Nachricht von der Eisenbahngesellschaft suchte. »Du bist früh zurück. Wo ist Elsie?«
»Es ist etwas ganz Unerwartetes passiert!« Sie lud ihre Last auf dem Tisch ab und setzte sich, rundlich in den Leggings im Leopardenmuster und dem engen, glänzenden T-Shirt. »Gerade, als wir in den Clissold Park gehen wollten, haben wir Ihre Schwester getroffen. Elsie schien sich wirklich zu freuen, sie zu sehen, sie rannte in ihre Arme. Sie sagte, sie würde sie bald zurückbringen. Zuletzt sah ich die beiden Hand in Hand in den Park gehen. Sie heißt doch Bobbie, nicht? Sie wollte Elsie ein Eis kaufen.«
»Ich wußte gar nicht, daß sie hier ist«, sagte ich überrascht.
»Hat sie gesagt, was sie macht?«
»Ja. Sie hat gesagt, ihr Mann hätte sie auf dem Weg zu irgendeiner Besprechung abgesetzt, und sie hätte in diesem wirklich protzigen Stoffgeschäft an der Church Street Vorhänge ausgesucht. Na ja, das kann sie Ihnen ja später selbst erzählen.
Soll ich Ihnen eine Tasse Tee machen?«
»Da kommt sie diesen ganzen weiten Weg nach London, um Vorhänge zu kaufen. Das ist typisch für meine Schwester. Aber da wir jetzt Zeit haben und kein Kind, könnten wir anfangen, die Bücher und CDs zu sortieren. Ich möchte alles in alphabetischer Reihenfolge geordnet.«
Wir waren bis G gekommen, und ich war staubig und verschwitzt, als das Telefon läutete. Es war meine Schwester.
»Bobbie, das ist eine nette Überraschung. Wo bist du? Wann wirst du hier sein?«
»Was?« Bobbie klang ziemlich verwirrt.
»Sollen wir uns im Park treffen?«
»In welchem Park? Wovon redest du, Sam? Ich rufe an, um mich zu erkundigen, ob Mutter dich …«
»Moment.« Mein Mund war seltsam trocken geworden. »Von wo rufst du an, Bobbie?«
»Na, von zu Hause natürlich.«
»Du bist nicht bei Elsie?«
»Natürlich bin ich nicht bei Elsie, ich habe keine Ahnung, was
…«
Aber ich war schon weg, hatte trotz ihrer Verwirrung den Hörer auf die Gabel geknallt, schrie Sophie zu, sie solle sofort die Polizei anrufen und ihr sagen, Elsie sei entführt worden, und polterte die schmale Treppe hinunter, zwei Stufen auf einmal nehmend. Das Herz klopfte mir laut bis zum Hals. Bitte, laß ihr nichts zustoßen. Ich stürmte durch die Haustür und sprintete los, meine Füße brannten auf dem heißen Pflaster. Die Straße hinauf, vorbei an alten Damen, Frauen mit Kinderwagen und jungen Männern mit großen Hunden. Mitten durch die langsam dahinschlendernden Menschen, die von der Arbeit kamen. Über die Straße, wo Autofahrer hupten und ihre Fenster herunterkurbelten, um mich zu beschimpfen.
Durch das eiserne Tor von Clissold Park, vorbei an der kleinen Brücke und den überfütterten Enten, den Rehen, die mit ihrem Samtmaul an den hohen Zaun stießen, durch die Allee mit den Kastanienbäumen. Während ich rannte, suchten meine Augen die Gegend ab. Es gab so viele Kinder, aber keines von ihnen war meins. Ich raste auf den Spielplatz. Jungen und Mädchen in bunten Anoraks
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