Ein sinnlicher Schuft
nicht.
Sechsundzwanzigstes Kapitel
G affin saß jetzt mit Colin an dem Tisch mit den Stühlen, den er zuvor ans Feuer gerückt hatte, während der Rest der Bande es sich auf den Bänken bequem machte.
Er orderte für seine Geisel einen Krug und sah zu, wie er gefüllt wurde, doch Colin rührte ihn nicht an, obwohl er trotz seiner vor dem Körper gefesselten Hände hätte trinken können. Gaffin hingegen nahm einen großen Schluck von seinem eigenen Bier und wischte sich den Mund am Ärmel ab. Er schaute Colin lange an, bevor er etwas sagte.
»Also«, fing er schließlich an, »die Sache ist die: Chantal arbeitet seit fast einem Jahr für mich. Immer knapp bei Kasse, so ist meine Chantal. Einkaufen, spielen– sie ist eine ziemliche Belastung für die Brieftasche eines Mannes.« Er bedachte Colin mit einem eisigen Lächeln. »Ich wette, sie hat Sie auch ganz schön was gekostet, oder?«
Colin antwortete nicht. Er hatte kein Interesse daran, sich mit diesem Schurken in irgendeiner Weise zu verbrüdern oder ihm gegenüber sein eigenes idiotisches Verhalten zuzugeben. Für Chantal war er einer von vielen gewesen, eine Tatsache, die er wahrgenommen, aber bewusst ignoriert hatte. Auch wenn er sie durchschaute, wollte er an der Illusion von der zärtlichen, schutzbedürftigen Geliebten festhalten. Weil es eine schöne Träumerei gewesen war, herrlich bis ins kleinste Detail, jedoch eben nichts als ein Tagtraum, der sich in einen Albtraum zu verwandeln begann.
Wie konnte er bloß so lange an einem solchen Hirngespinst festhalten? Selbst jetzt noch, denn anfangs war die Verlockung, Chantal zurückzugewinnen, übermächtig gewesen, und er hatte sogar Melody als eine Art Druckmittel betrachtet. Und jetzt befand sie sich in ernster Gefahr. Ebenso wie Pru und Evan. Pru. Statt einem Trugbild hinterherzujagen, sollte er lieber einer anderen Liebe eine Chance geben… Nur was wurde dann aus Melodys Zukunft?
Die Erinnerung an seine romantischen Liebesschwüre, die er Chantal geschickt hatte, an Dutzende von Briefen, ließ ihn innerlich erschauern. Er hoffte nur, dass sie inzwischen im Feuer gelandet waren. Und dass er hier saß als Gefangener dieses Schurken, das ging ebenfalls auf Chantals Konto.
Gaffin tippte mit dem Fingernagel an seinen Krug. Binnen Sekunden war Pru an seiner Seite und schenkte nach. Sie sah Colin nicht an, und auch er gab sich größte Mühe, sie nicht anzuschauen – nur einen kurzen Blick, um sicherzugehen, dass es ihr gut ging. Sie wirkte blass und nervös, aber wer wäre das nicht in dieser Situation. Jedenfalls spielte sie die Rolle der Schankmagd perfekt. Vollkommen überzeugend.
Gaffin erzählte weiter. »Sie hat ihre Stellung am Theater genutzt, um Kunden für mich zu finden. Reiche Männer. Solche Gentlemen langweilen sich schnell, und da halten sie unter den Schauspielerinnen und Tänzerinnen Ausschau. Dort finden sie ihre Mätressen. Und viele sind nicht abgeneigt gegen Drogen. Sie hat das Zeug unters Volk gebracht und das Geld für mich eingesammelt.«
Aus dem Augenwinkel sah Colin, dass Pru ganz in der Nähe Bier nachschenkte. Sie goss langsam ein und bewegte sich im Schneckentempo um den Tisch herum. Lauschte.
Sei vorsichtig, mein mutiger Schatz!
»Opium. Gutes Geschäft.« Gaffin deutete mit dem Finger auf Colin. »Und nicht mal illegal, auch wenn’s einige gibt, die unbedingt ein Gesetz dagegen fordern. Trotzdem wollen die feinen Herren nicht, dass sie damit in Verbindung gebracht werden. Angst vor einem Skandal sorgt für gute Profite, vor allem wenn man ein bisschen nachhilft. Sie verstehen, was ich meine?«
Der Mann lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Seine Augen blickten noch kälter als zuvor. »Aber dann hat sie angefangen, was für sich abzuzweigen. Blödes Ding. Als würde ich’s nicht merken, als könnte ich nicht rechnen. Erst handelte es sich bloß um kleine Mengen. Proben, sagte sie, um die Leute dafür zu interessieren. Dabei hat sie es selbst konsumiert und blieb dran hängen.«
Er machte eine Pause, um wieder einen tiefen Schluck von seinem Bier zu nehmen, schwenkte die verbliebene Flüssigkeit in seinem Krug hin und her und schien auf eine Reaktion von Colin zu warten. »Ich hatte nicht wirklich was dagegen. Mit dem Opium konnte ich sie besser kontrollieren. Sie war nicht mehr die Teufelin zwischen den Laken wie zuvor.«
Traurigkeit stieg in Colin auf. Chantal war opiumabhängig? Wie schrecklich! Und doch passte es zu ihr. Immer auf der Suche nach dem nächsten
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