Ein sinnlicher Schuft
Kratzer an seinem Knie, den sie voller Ehrfurcht und Bewunderung betrachtete. Pru lachte leise auf. Ja, es ging ihnen sichtbar gut.
Alle hatten die Nacht überlebt. Nun musste sie nur noch den Rest ihrer Reise überstehen.
Colin erwachte mit einem schlechten Geschmack im Mund und Blutergüssen am ganzen Körper. Erinnerungsfetzen kehrten zurück. Gaffins Bande. Pru in Gefahr.
Er erinnerte sich sehr genau an einen Teil der Nacht, doch der Rest war weg. Nachdem man ihn mit Opium vollgestopft hatte, löste sich sein Wahrnehmungsvermögen in einer verschwommenen Mischung aus Bildern und Empfindungen aus Rauch und Träumen auf.
Die dunkle Kälte des Kellers.
Pru im Regen. Pru, die ihn in sich aufnahm, die bebend zum Höhepunkt kam.
Nein, bloß ein Opiumtraum. Leider.
Der Geruch nach Schwein.
Er hob einen Arm und roch daran. Seifenduft mit einem Hauch von etwas anderem darunter.
Prus Hände, die über seinen nassen, nackten Körper glitten.
Ihr Mieder durchnässt, ihre Brustwarzen rosig und deutlich zu sehen.
Nein. Noch ein Traum.
Oder nicht? Denn da stand der Badezuber mit sehr schmutzigem Wasser, und daneben lag ein Haufen durchnässter, verdreckter Handtücher.
Er zog sich vorsichtig an, denn sein Körper schmerzte bei jeder Bewegung. Allerdings schien nichts gebrochen zu sein. Er kannte das von früheren Schlägereien und war sicher, dass er in ein paar Tagen wieder in Ordnung sein würde. Alles in allem war er ziemlich glimpflich davongekommen.
Es gab also keinen Grund, die Suche nach Chantal nicht sofort wieder aufzunehmen.
Er stieg die Treppe hinunter und stellte erstaunt fest, dass in dem Schankraum kaum noch etwas von den Ereignissen der Nacht zu sehen war. Wie lange hatte er geschlafen?
Der Duft nach einem Fleischragout stieg ihm in die Nase, und er drückte die Tür zur Küche auf. Olive stand am Herd und rührte in einem Topf, während Pru am Tisch Kartoffeln schälte. Auf dem Boden beim Feuer schaute Melody Evan bei einem Spiel mit einem Kautschukball und einer Handvoll Steine zu, während sie an einem Zipfel von Gordy Anne kaute. Es war eine glückliche häusliche Szene. Und dennoch stimmte sie Colin todtraurig.
Wegen Pru.
Was sollte aus ihr werden? Sie war zu gut für ihre Position, zu schlau und zu mutig, zu ehrbar und charakterstark. Mit einem Wort, sie konnte nicht ihr Leben lang eine Dienstmagd bleiben. Und sie besaß eine Ausstrahlung, ein inneres Glühen, das sie weit attraktiver machte als Frauen mit perfekten Gesichtern.
Wie Chantal. Trotzdem musste er an seinem Plan festhalten– er schuldete es Melody, die Wahrheit herauszufinden. In diesem Augenblick schaute Pru auf und entdeckte ihn. Das Lächeln, das sie ihm schenkte, war gequält und wissend und ein wenig traurig.
Wir sitzen ganz schön in der Klemme.
In der Tat.
Wie konnte er das Richtige tun, ohne dabei den besten Freund zu verlieren, den er je gehabt hatte?
Zweiunddreißigstes Kapitel
A m selben Nachmittag brachen sie nach Bath auf. Colin fuhr mit Evan, Pru und Melody in der Kutsche, während Bailiwick Balthazar davor gespannt hatte und lenkte. Hector trottete angebunden hinterher.
Colin hielt Melody auf dem Schoß, obwohl ihre Knie und Ellbogen sich ständig in seinen zerschlagenen Körper bohrten. Doch er hatte sich in der vergangenen Nacht so um sie gesorgt, dass er das Bedürfnis verspürte, sie ganz dicht bei sich zu haben. Schon der gegenüberliegende Sitz wäre zu weit entfernt.
Pru und Evan waren beide eingeschlafen, kaum dass die Reise begonnen hatte. Zuerst vermutete Colin, dass sie nur so tat, um sich nicht mit ihm unterhalten zu müssen, aber das stimmte nicht. Pru war einfach erschöpft und hundemüde.
Kein Wunder nach allem, was sie erleben musste. Sie hatte sich mit Banditen herumgeschlagen, mit einem Mann, der von Drogen berauscht und mit Schweinekot besudelt war, und trotzdem hinterher noch geholfen, das Mittagessen zuzubereiten.
Was für eine tolle Frau.
Colin konnte den Blick nicht von ihr wenden. Im Schlaf war ihr herzförmiges Gesicht so entzückend und süß und irgendwie nicht von dieser Welt. Wenn sie wach war, achtete er nur auf ihre Augen, doch jetzt musterte er erstmals genauer ihre fein geschnittenen Züge, die zierliche Nase mit den Sommersprossen, den rosa Mund mit den weichen Lippen, der jetzt ganz entspannt wirkte.
Es würde mir gefallen, neben diesem schlafenden Gesicht aufzuwachen. Jeden Morgen für den Rest meines Lebens.
Wie sollte das möglich sein?
Gefühle kämpften mit
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