Ein Sixpack zum Verlieben (German Edition)
ein Fehler war. Er ist nicht zu Hause, und zurück aufs Festland kann ich heute nicht mehr. Ich bin in der Früh von Frankfurt losgefahren.“ Laura versucht, ihrer Stimme einen neutralen Tonfall zu verleihen. Das Lügen fällt ihr nicht leicht, aber sie möchte sich nicht einer wildfremden Frau offenbaren, was wohl die richtige Entscheidung ist, denn Frau Stromeyer bohrt nach: „Von so weit kommen Sie extra, um jemanden zu überraschen. Wie heißt denn Ihr Bekannter? Hier kennt jeder jeden. Vielleicht können wir ihn aufspüren. Zu dieser Jahreszeit trauen sich die Einheimischen wieder selbst in die Kneipen.“
Das hat Laura gerade noch gefehlt, dass die gute Frau womöglich Sven kennt und bei ihm anruft. „Er ist selbst zu Besuch auf der Insel!“, antwortet sie knapp, sodass Frau Stromeyer nicht wagt, nochmals nachzuhaken, aber sie spürt, dass etwas an der Geschichte der jungen Frau nicht stimmig ist. Das kalkweiße Gesicht und die zitternden Hände sprechen dafür.
„Wissen Sie was, ich gebe Ihnen ein Zimmer. Es macht wenig Sinn, um diese Uhrzeit bei der Konkurrenz anzurufen. Viele haben wie wir geschlossen, und wer offen hat, weiß ich auch nicht so genau.“
Laura möchte die Pensionschefin am liebsten vor Dankbarkeit in die Arme nehmen, aber sie beherrscht sich. „Das ist wirklich ganz lieb von Ihnen. Ich gebe zu, dass ich sehr müde bin und mich nach einem bequemen Bett sehne.“
„Dann holen Sie mal Ihr Gepäck herein. Sie sind mit dem Motorrad unterwegs?“
Laura nickt: „Viel habe ich nicht dabei. Bin in zwei Minuten zurück.“
Anschließend folgt sie Frau Stromeyer die steile Stiege hinauf in ein gemütlich eingerichtetes Zimmer. Das hölzerne Bett mit Schnitzereien am Kopf- und Fußende steht in der Ecke unter der Dachschräge und lässt in Laura sofort den Wunsch aufkeimen, sich einfach unausgezogen hineinfallen zu lassen.
Nachdem Frau Stromeyer ihr frische Handtücher gebracht und ihr eine gute Nacht gewünscht hat, reißt sich Laura die enge Motorradkluft vom Körper. Ihr Zittern hat aufgehört, stattdessen überkommt sie eine Hitzewelle und Schweißperlen bilden sich auf ihrer Stirn. Sie schiebt ihren Zustand auf all die Aufregungen, die sie in den letzten Tagen erleiden musste. Einzig das Ziel, endlich Sven in den Armen zu liegen, hat sie bis hierher gebracht. Jetzt haben sich all ihre Träume ins All verabschiedet, und nichts bleibt als Verzweiflung und die Ungewissheit, wie alles weitergehen soll.
Nur mit Unterwäsche bekleidet schlüpft Laura unter die weiche Bettdecke. Nicht einmal zum Zähneputzen ist sie imstande, zu sehr hämmert ihr Kopf. Trotzdem sendet sie eine SMS an Kerstin:
Bin auf Sylt, melde mich wieder! Guten Flug und viel Erfolg in Kapstadt!
Liebe Grüße von Laura
Um ungestört schlafen zu können, schaltet sie das Handy aus. Die SMS wird das Letzte sein, woran sich Laura erinnert, bevor sie ins Fieberdelirium fällt.
Kapitel 21
Sven tritt vor die Haustür, um wie jeden Morgen seit einigen Wochen seinen Freund in dessen Praxis zu vertreten, die einen Kilometer entfernt im Zentrum Westerlands liegt. Sofort entdeckt er den Umschlag auf dem Boden, der durch den herbstlichen Nebel leicht Nässe aufgesogen hat. Komisch, denn die Post kommt normalerweise erst gegen Mittag und befindet sich dann in dem dafür vorgesehenen Briefkasten neben dem Gartentor. Neugierig kehrt Sven ins Haus zurück und entziffert auf der Rückseite die Schrift seines Bruders:
Ich nehme an, Du freust Dich über den Überbringer
Viele Grüße, Frieder
Sven kann sich beim besten Willen nicht erklären, warum Frieder nicht geläutet hat. Er war doch mit Penelope den ganzen Abend im Haus. Er geht zurück vor die Tür und probiert die Klingel aus, die einwandfrei funktioniert. Auch hätte Frieder ja anrufen können. Das macht Sven jetzt stattdessen umgekehrt.
„Hey, bist du verrückt, mich so früh aus den Federn zu schmeißen“, ertönt die verärgerte Stimme seines Bruders.
„Wo steckst du denn? Wieso hast du mir die Post vor die Tür gelegt, statt dich bemerkbar zu machen?“, fragt Sven unbeirrt.
„Wo soll ich schon sein? Blöde Frage! Im Bett zu Hause!“, stellt Frieder klar und gähnt ungeniert in den Hörer.
„Hast du eine Brieftaube mit dem Umschlag zu mir geschickt?“
Jetzt muss Frieder wider Willen lachen: „Na, wie eine Brieftaube sieht deine Angebetete wohl nicht aus, aber vielleicht hat sie ja letzte Nacht wie eine in deinen Armen
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