Ein skandaloeser Kuss
sein wird.“
„Ich bringe Drury mit“, ergänzte Bromwell. „Und du brauchst nicht um meine Sicherheit zu bangen, Mutter. Drury hat, seit er aus Frankreich zurück ist, nicht mehr kutschiert, und ich werde es auch nicht tun.“
„Komm, Justinian“, sagte der Earl. „Wir müssen uns auf den Weg machen, wenn wir heute Abend in Bath noch ein anständiges Dinner bekommen wollen.“
Bromwell trat zu seiner Mutter und küsste ihr die Wange, während sie nach seiner Hand griff. „Leb wohl, Mutter. Ich bin zum Ball zurück, versprochen.“
„Dann weiß ich, dass ich mich darauf verlassen kann.“ Die Countess betupfte sich die Augen mit einem parfümierten Spitzentüchlein.
Bromwell sah Nell unverwandt an, als er sich verneigte. „Ich freue mich darauf, Sie wiederzusehen, Lady Eleanor.“
„Das gilt auch umgekehrt, Mylord.“
Bromwell ging zur Tür, während Lord Granshire sich die Hand seiner Frau an die Lippen hob. „Adieu, meine Damen.“ Er verneigte sich mit Aplomb, dann folgte er seinem Sohn aus dem Salon.
Als sich die Tür geschlossen hatte, schniefte die Countess leise in ihr Taschentuch, und Nell unterdrückte ein Seufzen.
Wenigstens hatte Ihre Ladyschaft das Anrecht auf Lord Bromwells Sohnesliebe. Nell ging zum Fenster und sah auf die Auffahrt hinunter. Sie selbst dagegen konnte dankbar sein, dass er sie nicht verachtete für ihre Lügen; und dafür, dass er ihr trotzdem seine Hilfe angeboten hatte, bewunderte sie ihn umso mehr.
Lord Granshires Landauer stand abreisebereit vor dem Eingangsportal. Im nächsten Moment kam der Earl mit seinem Sohn aus dem Haus. Der Earl stieg als Erster ein, dann setzte Lord Bromwell seinen Fuß auf die Trittstufen, hielt inne und sah über die Schulter nach oben. Er musste sie gesehen haben, denn er winkte kurz, ehe er in der Kutsche verschwand.
Der Kutscher ließ die Peitsche knallen, und die vier gut zueinander passenden Rappen setzten sich in Bewegung, brachten Lord Bromwell fort und ließen sie zurück mit seiner leise weinenden Mutter.
„Möchten Sie lieber allein sein, Mylady?“ Nell drehte sich vom Fenster fort. „Oder soll ich vielleicht Dena rufen lassen?“
Die Countess wischte sich die Augen. „Nein, bitte bleiben Sie. Es ist tröstlich, jemanden zur Gesellschaft zu haben, der meinen Kummer teilt.“
„Er wird nicht lange fort sein.“ Nell setzte sich Lady Granshire gegenüber.
„Diesmal“, sagte die Countess düster.
Was sollte sie darauf antworten? Sie konnte ihr nicht versprechen, dass ihr Sohn jedes Mal von seinen Expeditionen zurückkommen würde. „Ich möchte Ihnen noch einmal für Ihre Gastfreundlichkeit danken.“
Die Countess winkte teilnahmslos ab. „Keine Ursache. Ich finde es schön, eine junge Dame in der Nähe zu haben, besonders eine, der an meinem Sohn offenbar viel liegt.“
Nell fühlte sich unbehaglich. Anscheinend gelang es ihr nicht, ihr wachsendes Interesse an Lord Bromwell zu verbergen, wenn jedermann es ihr ansah. Sie würde vorsichtiger sein müssen, wenn er wieder da war. „Ich hoffe, es macht Ihnen keine Mühe.“
„Wer war Ihr voriger Beschützer, meine Liebe?“
Unsicher, wie sie die Frage verstehen sollte, sah Nell die Countess scharf an. Von der Mätresse eines Mannes pflegte man zu sagen, sie stehe unter seinem Schutz.
„Meine Eltern“, sagte sie nach einem Moment. „Aber ich hoffe, mein Patenonkel wird mir helfen.“
„Und wer wäre das?“
„Nun, Lord Ruttles“, antwortete Nell verwirrt von der Frage. War Lady Granshire entfallen, was sie kürzlich erzählt hatte? Vielleicht war sie wirklich krank …
Die Countess verzog keine Miene und musterte Nell mit einem Augenausdruck, der dem ihres Sohnes verblüffend ähnelte. „Nein, Lord Ruttles ist nicht Ihr Patenonkel. Und Sie sind nicht Lady Eleanor Springford.“
Nell hatte das Gefühl, keine Luft zu bekommen, und ihr Herz trommelte ihr wie wild gegen die Rippen.
Woher wusste Lady Granshire …? Oder stellte sie nur eine Vermutung an? Habe ich mich durch irgendetwas verraten? Und was soll ich jetzt tun?
Ehe sie zu einer Entscheidung kam, lehnte die Countess sich vor und legte Nell die Hand auf den Arm.
„Glaubt mein Sohn, Sie wären Lady Eleanor, oder ist er eingeweiht?“ Die Countess klang nicht verärgert, lediglich neugierig, was Nell nur noch mehr verwirrte.
Eines allerdings schien klar – was immer sie sagte und was immer als Nächstes passierte, es bestand keine Notwendigkeit mehr zu lügen. „Er weiß, wer ich wirklich
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