Ein skandaloeser Kuss
Heirat vor meiner Abreise vor. Ich würde keiner Frau zumuten, jahrelang auf mich zu warten wie Penelope auf Odysseus, und ebenso wenig würde ich wollen, dass eine Frau auf die Heirat wartet, bis ich zurück bin. Es wäre nicht redlich ihr gegenüber. Darin ist sich Miss Springley einig mit mir.“
„Heißt das, du hast mit ihr über Heirat gesprochen?“
„Es war unumgänglich“, räumte Bromwell ein. „Meine Eltern ließen mir keine Wahl, namentlich mein Vater. Er machte ihr eine empörende Offerte, wenn sie mich dazu bringt, sie zu heiraten. Dass sie das Angebot zurückwies, ehrt sie, zeigt aber auch deutlich, wie sie zu mir steht. Doch davon ganz abgesehen“, fuhr er müde fort, „du weißt, was diese Expedition mir bedeutet. Wie viel Arbeit und Planung ich hineingesteckt habe, wie viel Mühe es gekostet hat, das Geld zusammenzubringen. Ich kann jetzt nicht aufgeben.“
Das klang einfach, und ehe er Nell Springley kennengelernt hatte, war es das auch gewesen.
„Das leuchtet mir ein“, pflichtete Drury ihm bei, „besonders da Charlie diesmal in der Lage sein wird, dein Schiff zu befehligen, wie ich dem Brief, den ich heute Morgen von ihm erhielt, entnehme. Dir hat er nach Granshire Hall geschrieben, ich nehme an, um dich davon in Kenntnis zu setzen. Er hat seinen Dienst quittiert und kann es kaum erwarten, mit dir zu segeln, egal ob als Kapitän oder als dein Assistent oder Bootsmaat oder Schiffsjunge.“
Sobald Bromwell die Neuigkeiten hörte, wich der bedrückte Ausdruck aus seinen Zügen. „Das ist ja großartig! Ich habe mir den Kopf zerbrochen, wen ich anheuern soll, um das Schiff zu befehligen, und jetzt bekomme ich den perfekten Mann dafür! Wenn ich die noch ausstehenden Gelder doch auch so leicht zusammenbekäme!“
„Dein Vater will dir auch diesmal nicht unter die Arme greifen?“
Bromwell wurde rot. „Miss Springley ist nicht die Einzige, die er mittels Bestechung zur Eheschließung bewegen wollte. Er bot mir an, die gesamte Expedition zu finanzieren, wenn ich sie heirate, ehe ich mich auf den Weg mache – obwohl er sicherlich anders über die Sache dächte, wenn er wüsste, dass sie nicht Lady Eleanor ist. Wie auch immer, es gibt andere, bei denen ich um finanzielle Unterstützung werben kann. Doch das hat Zeit. Als Erstes würde ich gern Jamie St. Claire aufsuchen.“
„Wie du wünschst.“ Drury stand auf und kam um den Schreibtisch herum. „Ich begleite dich, und anschließend gehen wir bei ein paar Kollegen von mir vorbei, deren Kanzleien in der Nähe der Fleet Street liegen. Sie können uns helfen, etwas über den unanständigen Lord Sturmpole herauszufinden.“
„Du lieber Himmel, bist du das, Titus?“
Die dröhnende Stimme des Earl of Granshire brachte nicht wenige Besucher der Trinkhalle von Bath dazu, sich nach ihm umzudrehen. Neugieriges Getuschel setzte ein, als Seine Lordschaft auf den gut angezogenen bulligen Herrn mit dem fliehenden Kinn zusteuerte, der am Geländer des Brunnens lehnte. Der angesprochene Gentleman lächelte, stellte den Becher mit dem angeblich heilsamen Wasser ab und richtete sich zu seiner vollen Größe auf, als der Earl vor ihn hintrat und ihm kräftig die Hand schüttelte.
„Titus, alter Junge, warum hast du mir nicht geschrieben, dass du nach Bath kommst?“ Lord Granshire zog die Stirn in Falten. „Es ist mindestens … warte … zehn Jahre her, dass du das letzte Mal hier warst, nicht wahr? Wie geht es deiner Frau? Ist sie auch hier, um zu kuren?“
„Leider fühlt sie sich gesundheitlich immer noch nicht in der Lage, Staynesborough zu verlassen.“ Lord Sturmpole strich seinen giftgrünen Gehrock glatt.
„Was bringt dich dann nach Bath?“, erkundigte der Earl sich erstaunt. „Bei deiner Rossnatur hast du wohl kaum eine Trinkkur nötig.“
„Eine geschäftliche Angelegenheit, nichts Wichtiges.“ Sturmpole machte eine wegwerfende Handbewegung. „Wie geht es deiner reizenden Frau Gemahlin? Und deinem berühmten Sohn? Ich beglückwünsche dich zu seinem großen Erfolg.“
„Danke“, erwiderte der Earl geschmeichelt. „Der Junge macht seine Sache gut, auch wenn ich nicht verhehlen kann, dass es mir lieber gewesen wäre, wenn er seine Lorbeeren auf einem anderen Gebiet geerntet hätte. Aber die Zeiten, da Kinder beherzigten, was ihre Eltern ihnen sagten, sind lange vorbei, fürchte ich.“
„Das ist auch mein Eindruck“, pflichtete Sturmpole bei. „Die jungen Leute von heute haben keinen Respekt mehr vor Älteren und
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