Ein skandalöses Geheimnis: Roman (German Edition)
hätte.«
»Dann hoffe ich mal, dass es auch kein typisches Verhaltensmuster bei dir ist«, erwiderte sie und zwang sich zu einem lockeren Tonfall.
Er drehte sich zu ihr um und verschränkte die Arme vor der Brust. »Was meinst du damit?«
Sie holte tief Luft und stieß einen Seufzer aus. »Ich muss gestehen, dass ich etwas Angst habe, nach London zurückzukehren – zu den Leuten, die so anders sind.«
»Du meinst meine Freunde.«
London fing an für sie eine immer größere Rolle als möglicher Wendepunkt in ihrer Ehe zu spielen. Und obwohl sie nicht glaubte, dass er sie betrügen würde, blieben da seine alten, leichtlebigen Gewohnheiten im Kreis gleichgesinnter Kumpane.
»Ich bin immer ein selbstsüchtiger Mistkerl gewesen«, erklärte er. »Das hatte nichts mit irgendwelchen Freunden und Bekannten in London zu tun. Es wäre meine Entscheidung gewesen, mich nicht von irgendwelchen Impulsen leiten zu lassen. Das gilt genauso für die Geschichte mit dir. Wenn jemand anders als Bramfield uns entdeckt hätte … Vielleicht wüsste es dann bereits alle Welt. Unausdenkbar.«
»Lass es gut sein, denn das ist nicht passiert, Leo«, erwiderte sie ruhig. »Du brauchst dir deswegen keine Vorwürfe zu machen, und für mich ist die Sache erledigt. Ich trage dir nichts mehr nach, das weißt du ja.«
Das schon, dachte er. Aber würde er sich selbst vergeben können?
Sie wechselte das Thema und fragte: »Hast du deinem Bruder von Mr Boordes Enthüllung erzählt?«
Leo kam zum Bett, setzte sich neben sie und griff nach ihrer Hand. »Ich konnte nicht. Über die Jahre ist immerhin so etwas wie ein zerbrechlicher Frieden in der Familie eingekehrt. Wie kann ich Simon da erzählen, dass unsere Mutter seinen Vater betrogen hat? Das Geheimnis sollte unter uns bleiben. Das reicht.«
»Wirklich?«, fragte sie, während sie sich hinkniete, um ihn auf die Wange zu küssen. »Und deine Mutter, willst du nicht …?«
»Nein«, unterbrach er sie mit fester Stimme. »Was würde das schon bringen?«
Susanna schwieg, obwohl sie im Gegensatz zu ihm insgeheim der Meinung war, dass es sehr wohl etwas bringen könnte.
Kapitel 23
Während des Frühstücks am nächsten Morgen ruhte Leos Blick die ganze Zeit auf seiner Mutter. Louisa und Susanna schmiedeten Pläne für den Tag, wollten einen Spaziergang machen, ein bisschen malen und draußen den Lunch einnehmen. Simon saß da und hörte entspannt zu.
Lady Wade hingegen kritisierte alle Pläne der ungeliebten Schwiegertöchter und erweckte den Eindruck, als wolle sie zumindest um Erlaubnis gefragt werden. Den Rest seines Lebens würde Leo sie nicht mehr anschauen können, ohne an das Rätsel seiner Herkunft zu denken.
Als Louisa und Susanna aufbrachen und Simon sich zurückzog, um mit Unterstützung seines inzwischen ebenfalls eingetroffenen Sekretärs ein paar geschäftliche Dinge zu erledigen, entschuldigte Leo sich. Er hatte von der Haushälterin erfahren, dass Mr Boorde auf dem Friedhof neben der Familienkapelle beerdigt worden war. Anscheinend hatte es keine engeren Verwandten gegeben, wenn man einmal von seinem illegitimen Sohn absah. Wie die Beziehung zu seiner Mutter ausgesehen haben mochte, das würde wohl für immer ein Geheimnis bleiben.
Es war nicht schwer, den Grabstein ausfindig zu machen. Leo betrachtete ihn lange, zupfte etwas Unkraut aus. In Zukunft würde er dafür sorgen, dass man Blumen pflanzte und das Grab regelmäßig pflegte. Und er fasste einen Entschluss. Heimlichtuerei und Unehrlichkeit waren ihm zuwider, und deshalb wollte er seine Mutter mit dem konfrontieren, was er herausgefunden hatte. Es würde ihn ewig belasten, wenn er sich keine Klarheit verschaffte, was damals wirklich passiert war zwischen seiner Mutter und seinem Lehrer, der angeblich sein Vater war.
Er fand Lady Wade in der Bibliothek, wo sie Briefe schrieb. Sie schaute auf, als er hereinkam, und ein zufriedenes Lächeln überzog ihr Gesicht. »Leo, mein lieber Junge.«
Er schloss die Tür hinter sich, und ihr Lächeln erstarrte. »Stimmt irgendetwas nicht?«, fragte sie. »Hat Susanna sich bei dir über mich beschwert?«
»Susanna beschwert sich nie über irgendetwas. Sie ist eine gute Ehefrau, und ich erwarte von dir, dass du sie entsprechend behandelst.«
Sie seufzte. »Du hast so schnell geheiratet, dass ich mir Sorgen um dich mache.«
»Ich liebe sie, Mutter, und das sollte dir genügen.«
Die Worte, die er noch nicht einmal Susanna gegenüber ausgesprochen hatte, überraschten sie
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