Ein skandalöses Geheimnis: Roman (German Edition)
hinausschaute, drehte sich bei Susannas letzten Worten stirnrunzelnd um. »Gretna Green? Leo, wie skandalös!«
»Ich finde es romantisch«, warf Louisa ein.
Susanna sagte nichts – zu gut erinnerte sie sich daran, wie miserabel sie sich dort gefühlt hatte. Doch inzwischen zählte das nicht mehr, denn jetzt war sie verliebt. Undenkbar, sie, der Blaustrumpf, den alle bereits abgeschrieben hatten! Die Erkenntnis kam selbst für sie völlig überraschend. Oder war es nur so, dass sie sich die Wahrheit bislang nie eingestehen wollte?
Als nicht viel später das Abendessen aufgetragen wurde, lehnte Susanna sich zurück und beobachtete die Familie. Die Rituale schienen eingespielt: Simon und Leo gaben abwechselnd den charmanten Schuft, und Louisa sonnte sich in ihrer Rolle als Gegenpart. Lady Wade hingegen gab die Spielverderberin und beschränkte sich darauf, die neue Schwiegertochter mit ihren Blicken förmlich zu erdolchen. Bei ihr hatte sie sichtlich keinen Stein im Brett. Sie hoffte bloß, dass Leo nicht auf die Idee kam, den Fehltritt seiner Mutter zum Gesprächsthema zu machen.
»Und Sie sind also Künstlerin«, richtete Louisa interessiert das Wort an Susanna. »Ich erinnere mich, wie begehrt Sie beim wöchentlichen Kunstsalon meiner Schwester waren.«
»Alle jungen Damen malen«, meinte Lady Wade sogleich naserümpfend.
»Aber nicht alle jungen Damen geben Malunterricht«, erwiderte Leo, »und nicht alle produzieren Werke von künstlerischem Rang. Susannas Bilder könnten im Museum hängen.«
Susanna errötete und lächelte ihren Ehemann an. Ihr war nicht entgangen, dass er weder ihre Arbeit für ihren Vater noch das Buch erwähnte, das bald erscheinen würde. Zum Glück vermutlich, denn sonst wäre sie bei Leos Mutter vollends unten durch.
»Louisa hat es sich zur Aufgabe gemacht, schüchternen Debütantinnen bei der Einführung in die Gesellschaft zu helfen«, erklärte Simon. »Es sieht ganz so aus, als würden wir unsere Ehefrauen nicht ausreichend beschäftigen.«
»Ich werde nur allzu bald ziemlich beschäftigt sein«, erwiderte Louisa und legte eine Hand auf ihren Bauch.
Susanna merkte, dass sie den Blick nicht von dem Zeichen neuen Lebens, das in ihrer Schwägerin heranwuchs, abwenden konnte. Sie sehnte sich selbst inzwischen nach einem Kind. Auch das ein völlig neuer Gedanke. Und sie hoffte sehr, dass das Schicksal ihr diesen Wunsch erfüllen würde, den Leo – da war sie sich inzwischen ziemlich sicher – bestimmt teilte. Und wer weiß, vielleicht trug ein Kind ja dazu bei, ihre Gefühle füreinander weiter zu vertiefen.
Leo sah, wie Susanna sich anschickte, die Tafel aufzuheben und die Gäste in den Salon zurückzugeleiten. »Liebste, Simon und ich werden noch einen Brandy zu uns nehmen, ehe wir uns zu euch gesellen«, sagte er. Eine mädchenhafte Röte breitete sich bei diesem Kosewort auf ihren Wangen aus, während seine Mutter die Augen verdrehte und sich räusperte.
Nachdem die drei Damen den Raum verlassen hatten, meinte Simon trocken: »Ich kann mir vorstellen, was in dir vorgeht. Es tut mir leid, dass Mutter ausgerechnet gestern auf die Idee kam, uns zu besuchen. Pech.«
»Du hast ja keine Ahnung«, murmelte Leo.
»Es liegt wohl an der bevorstehenden Geburt des Kindes. Obwohl mir ein Schauer über den Rücken läuft, wenn ich sie mir als Großmutter vorstelle.«
»Ich mache dir keinen Vorwurf, aber ich wünschte, du hättest stattdessen Großmutter mitgebracht. Sie wäre sicher erfreut gewesen, Susanna kennenzulernen.« Er schenkte einen Brandy ein und schob ihn Simon hin. »Das Glas steht nördlich von dir.«
Louisa hatte zu Beginn ihrer Bekanntschaft mit Simon die Kompassbezeichnungen eingeführt, um ihm die Orientierung beim Essen und Trinken zu erleichtern. Früher hatte sein Bruder Mahlzeiten in der Öffentlichkeit gemieden, was für einen so geselligen Mann eine große Einschränkung bedeutete.
»Großmutter ist nach London gefahren«, erklärte Simon, »und wie immer froh, ihre Schwiegertochter nicht sehen zu müssen.«
»Ich bin erleichtert zu hören, dass sie nach wie vor bei bester Gesundheit ist.« Leo starrte in sein Glas und schwenkte es gedankenverloren. Er suchte nach einer Möglichkeit, das heikle Thema anzuschneiden.
»Spuck es aus, Leo. Erzähl von dieser Heirat, aber nicht die geglättete Version, die du Mutter aufgetischt hast.«
Leo grinste. »Du willst doch bestimmt nichts über den neuesten Skandal hören, in den ich verwickelt bin.«
»Das hatte
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