Ein skandalöses Geheimnis: Roman (German Edition)
Scherenschnitten, müssen Sie wissen«, flüsterte sie, als würde sie ihm ein Geheimnis anvertrauen. »Und ich kann das Alphabet in unterschiedlichen Schriftstilen sticken. Ach ja, meine Muschelbilder lassen sich auch sehen.«
»Reden Sie nicht so laut. Nicht dass Sie am Ende jemand hört und ganz neidisch wird.«
»Das ist doch genau die Frau, die Sie bevorzugen, nicht wahr? Die sich mit derlei albernen Dingen beschäftigt.«
»Vergessen Sie nicht Klatsch und Tratsch – das genieße ich ganz besonders.«
»Das scheint zu stimmen, wenn ich das richtig mitbekommen habe.«
Überrascht sah sie ein kurzes Flackern in seinen Augen. »Die Leute reden ständig über mich«, meinte er dann betont gleichgültig.
»Und das gefällt Ihnen tatsächlich?«, fragte sie erstaunt.
»Insgesamt ist es von Vorteil. Man lädt mich in der Regel zu den elegantesten und amüsantesten Festen ein.«
»Nicht zu allen, Mr Wade. Warum ist das so?«
»Vielleicht weil ich ein zweitgeborener Sohn bin?«
»Oder weil Ihnen ein spezieller Ruf vorauseilt.«
Er zuckte die Achseln. »Ich mache mir weder über das eine noch über das andere Gedanken. Ich bin außerordentlich zufrieden mit meinem Leben.«
Susanna wechselte das Thema. »Sie haben eine weitere Eigenschaft vergessen, die die perfekte Ehefrau haben muss: Jugend.«
Er zog eine Augenbraue hoch und sah sie fragend an.
»Nur eine sehr junge Frau, die frisch von der Schulbank kommt und über keine Lebenserfahrung verfügt, würde Ihren Anforderungen entsprechen.«
»Ich habe kein Interesse an sehr jungen Damen«, erklärte er mit Nachdruck und schüttelte den Kopf.
»Warum flirten Sie dann mit jeder hier anwesenden Debütantin?«
»Das Flirten dient vielen Zwecken, und nur einer zielt darauf ab, eine Ehe anzubahnen.«
»Sie meinen, ansonsten findet man auf diese Weise Mätressen?«, fragte sie fasziniert.
»Dafür ist Flirten nicht notwendig.« Er grinste sie an. »Nein, das Flirten sorgt für etwas Aufregung bei einer Debütantin, die bisher nur die feste Hand der Mutter gespürt hat. Brauchen wir nicht alle gelegentlich das Gefühl, in Gefahr zu geraten, ein Risiko einzugehen – und wenn es nur ein Flirt mit einem übel beleumundeten Gentleman ist?«
Ein Risiko eingehen. Konnte er etwa ihre Gedanken lesen? »Sie würden einer unschuldigen jungen Dame also nie Schaden zufügen?«
»Nicht absichtlich, nein. Beruhigt Sie das, Susanna? Finde ich dann Gnade vor Ihren Augen?«
»Vielleicht.« Weiter kam sie ihm nicht entgegen.
Den Rest des Weges gingen sie schweigend den Hügel hinunter, einem kaum zu erkennenden Pfad durch hohes Gras folgend. Erst als sie unten ankamen und der Weg eine Biegung machte, sah sie die bröckelnden Ruinen und Trümmer, die aus römischer Zeit stammten und die Anwesenheit der Weltmacht auf der Insel bezeugten. Sie hörte die begeisterten Ausrufe der anderen Gäste.
Überrascht merkte sie, wie sich Leo Wades Arm unter ihrer Hand verkrampfte. Sie schaute zu ihm auf, doch er lächelte sie nur kurz an, ehe er seinen Blick wieder auf Lord Bramfield richtete, der gerade Erläuterungen zu dem Ruinenfeld gab. Irgendetwas war gerade mit Leo Wade passiert.
»Sie alle wissen, dass wir hier nicht weit entfernt von St Albans sind«, dozierte der Marquess und wippte auf den Absätzen, während er den Blick über die Schar seiner Gäste schweifen ließ. »Die Römer nannten die Stadt Verulamium. Sie ließen zahlreiche Stadtanlagen zurück, als sie aus Britannien flohen. Erst letztes Jahr wurde die Gesellschaft für Architektur und Archäologie von Hertfordshire gegründet, um das Interesse für die hiesige Geschichte und Forschung zu fördern.«
»Gibt es jemanden, der überwacht, wie von der Gesellschaft ›Interesse‹ definiert wird?«, fragte Wade.
Susanna starrte ihn verwundert an, und Keane verdrehte die Augen, während Bramfield sich interessiert dem Frager zuwandte. »Was meinen Sie damit, Mr Wade?«
»Ich habe gehört, dass viele die alten Bauten wieder instand setzen wollen und dass eine Debatte darüber ausgebrochen ist, in welchem Maße man eigentlich eingreifen darf. Schließlich verändert man damit die Techniken und Materialien der Baumeister aus römischer Zeit.«
Auf dem Gesicht des Marquess breitete sich ein Lächeln aus. »Sie haben recht, Mr Wade. Die Gesellschaft wurde gegründet, damit das alles ausführlich diskutiert wird, ehe man mit der Arbeit anfängt. Wir müssen die Schätze unserer Vergangenheit schützen. Ich freue mich, dass
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