Ein skandalöses Geheimnis: Roman (German Edition)
nicht so gewaltig, dass sie als glänzende Partie galt. Wie man es auch drehte und wendete, es passte alles nicht zusammen.
»Er ist ein zweitgeborener Sohn«, fuhr Caroline fort, »wenngleich nicht schlecht gestellt. Trotzdem ist man in einer solchen Situation immer um eine Verbesserung der finanziellen Situation bemüht. Nur wegen dieses Umstands darfst du nicht übel von ihm denken.«
Susanna schloss die Augen und hörte Caroline weiter schweigend zu.
»Jetzt lässt sich ohnehin nichts mehr daran ändern. Du kannst nur das Beste daraus machen. Er ist ein gut aussehender junger Mann. Denk bloß an unsere Freundin Blanche, die einen Mann heiraten musste, der vom Alter her ihr Vater sein könnte – oder ihr Großvater!«
»Meine Eltern haben nie Derartiges von mir verlangt«, erwiderte Susanna leise. »Allerdings erwarteten sie dafür im Gegenzug einwandfreies Benehmen. Und in dieser Hinsicht habe ich sie jetzt enttäuscht.«
»Sie werden es für eine Liebesheirat halten. Auch jeder der hier Anwesenden wird so denken. Das verspreche ich dir.«
»Und was soll ich Mr Tyler sagen?«, fragte Susanna.
Caroline drückte ihre Hand. »Du wirst die richtigen Worte finden. Das weiß ich. Du und Mr Wade fühlt euch zueinander hingezogen – das kann bestimmt der Beginn einer guten Ehe sein.«
»Wir sind schrecklich wütend aufeinander. Das ist ein denkbar schlechter Anfang.«
»Ach was, mit der Zeit werdet ihr eure Wut vergessen.«
Susanna nickte, obwohl sie nicht daran glaubte. Außerdem war sie nach wie vor fest entschlossen, Leo Wade nicht zu heiraten.
Kapitel 11
Susannas Truhe war bereits vor Tagesanbruch gepackt. Still und leise hatte sie sich ohne Hilfe der Zofe angezogen – zum Glück wurde ihr Reisekleid vorne geknöpft.
Sie hatte in der Nacht noch lange darüber nachgedacht, ob sie Briefe hinterlassen sollte, sich aber dagegen entschieden. Was sollte sie sagen? Sie würde Caroline später schreiben, wobei sie nicht sicher sein konnte, dass die Nachricht sie je erreichte. Eine junge Lady wie sie durfte mit einer Frau wie Susanna nicht mehr in Kontakt stehen. So wollte es die strenge Etikette der Schicht, der sie beide angehörten.
Und Mr Tyler? Für ihn fand sie schon gar keine passenden Worte, und vor Leo wollte sie nur fliehen. Später würde er ihr bestimmt dankbar sein. Sie hatte alles gewagt und alles verloren. Es war an der Zeit, nach Cambridgeshire zurückzukehren, aufs Land nach Madingley Court, dem Stammsitz der herzoglichen Familie, wo auch ihre Eltern lebten. Sie würde sich wieder den Arbeiten für ihren Vater widmen und sich jede Form von Geselligkeit für immer aus dem Kopf schlagen.
Während im Haus bis auf das Personal noch alle schliefen, ließ sie ihr Gepäck nach unten tragen und bat den Butler, ihr eine Kutsche für die Heimfahrt zur Verfügung zu stellen. Sie wollte niemanden mehr sehen, wartete in der großen Halle ungeduldig auf das Vorfahren des Gespanns.
Die Sonne ging gerade auf und schob sich über den Kamm der fernen Hügel. Durchs Fenster betrachtete sie den friedlichen Anblick, der so gar nicht ihrer Stimmung entsprach. Sie tat das einzig Richtige, sagte sie zu sich selbst, und atmete tief durch. Ihre Eltern würden enttäuscht sein, aber ihre Handlungsweise verstehen. Sie hatten sie immer unterstützt. Und dann würde sie zu dem Leben zurückkehren, mit dem sie früher ja durchaus zufrieden gewesen war. Später mussten sie die Kinder ihrer Geschwister eben für den Verzicht auf eine eigene Familie entschädigen.
Sie hörte das Rattern von Rädern, noch ehe sie die Kutsche um die Ecke biegen sah. Als sie vorfuhr, stellte sie mit Erleichterung fest, dass es keine mit dem Wappen des Marquess war. Bloß nicht auffallen war ihre Devise. Im Mittelpunkt zu stehen hatte ihr nur Scherereien gebracht.
Ein Lakai eilte herbei und öffnete den Schlag und klappte die Stufen für sie aus, während der Kutscher, der sogar an diesem Sommertag einen langen schwarzen Mantel trug, grüßend an die Krempe seines hohen Hutes tippte. »Guten Tag, Miss«, sagte er und enthüllte dabei eine Zahnlücke. »Mein Name ist John.«
Sie bemühte sich um ein freundliches Lächeln. »Es freut mich, Sie kennenzulernen. Wie ist denn Ihr voller Name?«
Verlegen senkte er den Kopf. »Bradley, Miss. John Bradley.«
»Danke, dass Sie mich fahren, Mr Bradley.«
Der Lakai nahm ihre Hand und half ihr ins dunkle Innere der Kutsche. Da die Fenster geschlossen und die Rollos heruntergezogen waren, fiel nicht
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