Ein skandalöses Rendezvous (German Edition)
getan, um ihre angespannte Situation zu entschärfen. »Ich befürchte, Mama denkt, sein Bruch mit uns war gerechtfertigt.«
»Ihr ist lediglich klar, wie die Welt funktioniert. Sie glaubt vielleicht nicht, dass ihr Bruder recht hatte, aber sie versteht, warum er es getan hat. Und jetzt ist er an den Verbindungen interessiert, die du der Familie durch deine Ehe bringst. Das weiß deine Mutter ebenfalls.«
»Es freut mich, dass ich für ihn so nützlich bin.« Sie konnte nicht verhindern, dass sich eine sarkastische Note in ihren Tonfall schlich.
»Es wäre beruhigend für mich, wenn du diese Hochzeit noch auf irgendeine andere Weise begrüßt, Cousine, auch wenn es nur wegen der Kleider und Verbindungen ist, die du deiner Familie damit ermöglichst«, sagte Daphne. »Die Umstände ließen dir keine andere Wahl, aber … «
»Momentan begrüße ich sie, wenn auch nur, weil sie diesen furchtbaren Monat des Wartens beendet. Und weil ich dadurch Mama entkomme. Wenn ich es schon tun muss, will ich es lieber früher als später hinter mich bringen.«
Mama hatte in Wahrheit nur wenig mit ihrer Rastlosigkeit zu tun, und es war ungerecht, ihr die Schuld dafür zu geben. Der wahre Grund war, dass sie sich nichts aus den Formalitäten machte, die sie und Lord Sebastian momentan erstickten. Jedes ihrer Treffen fand nun auf einer Bühne statt, auf der sie Masken der Etikette tragen mussten. Jedes Wort war geplant und jede Schmeichelei vorhersehbar. Die Stimmung unterschied sich frappierend von den Ereignissen und leichten Gesprächen, die zu ihrer Verlobung geführt hatten.
Statt ihn in diesem letzten Monat besser kennenzulernen, sah sie ihn kaum noch. Er wich immer mehr von ihrer einstigen Vertraulichkeit zurück. Sie befürchtete, dass sie einen vollkommen Fremden heiraten würde, wenn noch mehr Zeit verging.
»Etwas, auf das ich mich nicht freue, ist Lady Wittonbury«, gab sie zu.
»War sie unhöflich zu dir?«
»Wird das Wort unhöflich auch bei Königinnen angewendet? Sie hat mich mit jedem Blick und jedem Wort wissen lassen, dass ich für ihren Sohn unpassend bin. Letzte Woche hat sie mir einen kleinen Stapel Bücher über Etikette und Benehmen geschickt.«
»Das ist in der Tat unhöflich.«
»Das fand ich auch. Sie trafen mit einem Brief von ihr ein. Sie erklärte, dass solche Bücher für diejenigen geschrieben würden, die sich bessern wollten. Geschrieben würden sie von Leuten, die sich bereits gebessert hatten. Daher enthielten die Bücher Fehler, die nur der feinsten Gesellschaft auffallen würden. Also hat sie diese Fehler verbessert.«
»Sie hat das Buch mit Fußnoten versehen?«
»Oh ja. Im ganzen Text stehen Randbemerkungen von ihr.« Daphne lachte auf und plötzlich musste auch Audrianna lachen. »Die meisten Kommentare erklären, dass nur das gemeine Volk den jeweiligen Ratschlag als richtig ansieht.«
Daphne blieb stehen, um ein paar Krokusse zu bewundern, die ihre Köpfe durch das Efeu unter einem Baum steckten. »Hat dir deine Mutter bereits nützlichere Ratschläge als die von Lady Wittonbury gegeben, Audrianna? Du weißt, was ich meine.«
»Mama hält das anscheinend für unnötig. Es wäre nett, wenn jemand, der mich kennt, mal annehmen würde, dass die Gerüchte nicht wahr sind.«
»Es war nicht dein Charakter, sondern seiner, der diese Zweifel aufwarf, und ich entschuldige mich für mein eigenes Misstrauen. Wenn du gewisse Fragen hast, werde ich versuchen, sie zu beantworten, da deine Mutter diese Unterhaltung offenbar nicht führen möchte.«
Audrianna hatte viele Fragen, aber nicht zu dem Thema, das Daphne ansprach. Lord Sebastian hatte ihr bereits gezeigt, dass dieser Teil erträglich genug sein würde. Es war nicht das Problem der nächtlichen, sondern der täglichen Aktivitäten, welches sie bedrückte.
Wie sollte sie den Zorn verbergen, den sie immer noch wegen ihres Vaters verspürte? Wie sollte sie die Marchioness davon abhalten, ihr das Leben schwer zu machen? Wie sollte sie in dieser neuen Welt Freunde finden? Was sah die Etikette für den Fall vor, wenn der eigene Ehemann eine Geliebte hatte?
So etwas stand nicht in diesen Büchern. Vielleicht würde sie die Marchioness eines Tages fragen. Gewisse Anspielungen, die ihr im letzten Monat zu Ohren gekommen waren, deuteten darauf hin, dass Lady Wittonbury beträchtliche Erfahrungen darin hatte, wie die feine Gesellschaft mit solchen Entwicklungen umging.
Sie blieb stehen und betrachtete einen kahlen Busch. Seine zahlreichen
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