Ein skandalöses Rendezvous (German Edition)
Äste waren rot und geschmeidig. Überall waren reife Knospen zu sehen, die darauf warteten, beim ersten Anzeichen von Wärme aufzubrechen.
Es war eine Forsythie. Eine vollkommen gewöhnliche Pflanze. Genau wie sie: unbedeutend und nichts Besonderes. Wenn da nicht diese Reihe von unerwarteten Zufällen gewesen wäre, hätte Lord Sebastian sie niemals bemerkt, geschweige denn ihr einen Antrag gemacht.
Sie sollte in ihrem Glück schwelgen. Und es war ja nicht so, dass sie das nicht auch tat. Sie, Mama und Sarah hatten es beim Schneider wirklich ein wenig übertrieben und sie hatte jede Minute ihrer Maßlosigkeit genossen.
»Ich habe tatsächlich eine Frage«, sagte sie. »Aber es geht nicht um ihn oder das Leben, das ich führen werde. Es geht um mich.«
Daphne sah sie neugierig an. »Wie lautet sie?«
»Ist es falsch von mir, die Küsse eines Mannes zu genießen, den ich niemals lieben werde?«
Daphne lächelte sanft. »Ich bin erleichtert, dass du das fragst. Du weißt nicht, wie sehr. Nein, es ist nicht falsch. Frauen tun so, als sei Liebe für diese Art von Genuss erforderlich, aber Männer geben zu, dass es nicht so ist. Und die Erregung an sich zieht häufig Zuneigung nach sich, und das macht das Leben erträglich.« Sie gab Audrianna einen Kuss auf die Wange. »Und es ist auch kein Verrat an deinem Vater, diese Küsse zu genießen, wenn es das ist, was deine Frage in Wahrheit bedeutet. Er würde nicht wollen, dass du dich vor der Nacht fürchtest.«
Daphne konnte manchmal sehr weise sein. Es fiel ihr leicht, das menschliche Herz zu verstehen. »Warum bist du erleichtert?«
»Weil du die Hölle betreten würdest, wenn dir diese Küsse nicht gefallen würden. Ich bin dankbar für den Hinweis, dass dir dieses Schicksal erspart bleiben wird. Und jetzt muss ich zurück und mich von deiner Mutter verabschieden. Ich habe noch etwas in der Stadt zu erledigen, um eine Überraschung für deine Hochzeit zu arrangieren.«
12
Audriannas Hochzeitstag begann nicht gerade verheißungsvoll. Das Morgengrauen enthüllte Nieselregen und einen beißenden Nordwind, der aus London kam. Mama ließ die Kaminfeuer vergrößern und jammerte darüber, dass der Regen ihre Schuhe ruinieren würde.
Audrianna badete, kleidete sich an und ließ sich vom neuen Dienstmädchen die Haare frisieren. Sie hatte sich nicht getraut, ihre Mutter zu fragen, wie diese zusätzliche Angestellte bezahlt würde. Wahrscheinlich hatte sie bei Lord Sebastians obligatorischem Verlobungsbesuch bemerkt, wie schwierig die Hochzeitsvorbereitungen mit nur einem Diener waren, worauf sie durch die Umstände reduziert worden waren.
Sie war lange vor allen anderen fertig und ging in Sarahs Raum, um sie zur Eile anzutreiben. Sie fand ihre Schwester und Mutter im Streit darüber vor, welches Kleid Sarah tragen sollte, obwohl das bei einem ihrer ausschweifenden Schneiderbesuche schon lange entschieden worden war.
Audrianna schob sich zwischen die beiden. Sie zog das violette Kleid aus Sarahs Griff, legte es auf das Bett und hob stattdessen ein gelbes hoch. »Du wirst das hier tragen, so wie wir es abgemacht haben, als du es bestellt hast, oder du wirst gar nicht gehen. Die Kutsche wartet bereits und ich werde mich nicht den ganzen Tag deinen Launen unterwerfen.«
»Aber das andere ist viel schöner«, maulte Sarah. »In diesem sehe ich wie ein Kind aus.«
»Die Herren werden dich viel schneller bemerken, wenn du dieses Gelb hier trägst«, erwiderte Audrianna.
Sarah hörte lange genug mit dem Schmollen auf, um darüber nachzudenken.
»Ich werde in einer Viertelstunde mit der Kutsche abfahren«, fügte Audrianna hinzu. »Und ich hoffe sehr, dass du bis dahin auch darin sitzt. Mama, du solltest dich auch beeilen.«
»Eine Viertelstunde ist viel zu wenig. Wir werden vor allen anderen an der Kirche sein und uns lächerlich machen«, sagte ihre Mutter.
»Wir fahren nicht direkt zur Kirche. Ich will zuerst noch Papas Grab besuchen.«
Ihre Mutter seufzte laut auf. »Audrianna, bei diesem Regen … wirklich, es wäre nicht klug … «
»Ich kann wohl kaum nach der Kirche dorthin. Wahrscheinlich komme ich eine lange Zeit nicht mehr dorthin. Ich trage meinen langen Mantel und erst nachher wechsele ich in meine Seidenschuhe. Du kannst ja in der Kutsche sitzenbleiben, wenn du willst, aber ich werde sein Grab besuchen, damit er weiß, dass ich ihn nicht vergessen habe.«
Sebastian erreichte St. Georges mit Hawkeswell an seiner Seite. Gäste gingen an ihnen vorbei und
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