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Ein Sommer mit Danica

Ein Sommer mit Danica

Titel: Ein Sommer mit Danica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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rief Danica zurück.
    »Ich will nicht mehr nach Pula! Laß uns umkehren, Danica. Laß uns im wahrsten Sinne des Wortes umkehren. Pula ist nicht mehr nötig.«
    »Du mußt Pula sehen, ich weiß es, Sascha.«
    »Ich brauche keinen Schock mehr, damit mein Herz weiterschlägt. Es ist alles überwunden.«
    »O Sascha, warum lügst du?« Sie blickte schnell zur Seite und dann wieder auf die Straße, die unter ihnen wegflog. Ein paarmal hupte sie, weil dicke Wagen ihr den Weg nicht freigaben und mitten auf der Fahrbahn dahintrotteten. Aber wenn das Signalhorn des alten Fiats aufheulte, – ein durchdringender Ton, fast schon eine Körperverletzung, – zogen die blitzenden Wagen schnell nach rechts.
    »Ich lüge nicht. Ich habe nur von der Vergangenheit genug«, sagte Corell. »Ich war nicht immer ein Ganovenarzt … ich war einmal ein guter Chirurg. Und da habe ich gelernt, wie man sich schnell entscheiden muß, wie ein einziger kühner Schnitt eine kritische Situation lösen kann, wie das Leben an einem Gedanken hängen kann, an einer winzigen Sekunde der Erkenntnis. Diese Sekunde ist da. Pula ist für mich eine Stadt wie jede andere …«
    »Für mich nicht, Sascha.« Danica raste um eine Kurve, die linken Wagenräder hoben sich vom Boden ab. Hinter ihnen hupte eine schwere deutsche Limousine, – der Fahrer griff sich mit der rechten Hand entsetzt an die Stirn. »In Pula wird immer ein Stück von dir bleiben … und das will ich mitnehmen. Du sollst mir ganz gehören, nicht ein Millimeter von dir soll irgendwo zurückbleiben. In Pula wird diese Hilde endgültig sterben …«
    »Du weißt nicht, was du sagst …« Corell wischte sich über die Stirn. Mein Gott, sie hat recht, dachte er. Ich war schon wieder dabei, in Schatten zu flüchten. Seine Kehle war plötzlich trocken. »Es klingt, als wolltest du sie ermorden …«
    »Genau das will ich!« Sie umklammerte das Lenkrad, ihre Fingerknöchel stachen weiß durch die Haut. »Und es ist keine Sünde, Sascha … ich töte eine Tote, bevor sie dich tötet …«
    Corell lehnte sich zurück und schloß die Augen. Ihm war kotzübel zumute.
    *
    Er erkannte Pula nicht wieder.
    Hinter Vodnjan, wo die Straße aus dem Karst zu dem breiten Küstenstreifen und der weiten Bucht von Pula hinabführt, faßte Corell nach Danicas Arm. Bis jetzt hatte er schweigsam neben ihr gesessen und sich nur irgendwo in dem tanzenden Wagen festgehalten, und sie war mit unverminderter Geschwindigkeit weitergefahren, als könne sie die Vernichtung des Bildes einer Toten nicht mehr erwarten.
    »Kannst du jetzt halten?« fragte Corell.
    »Jetzt ja.«
    Sie bremste scharf und ließ den Wagen an der rechten Straßenseite ausrollen. Corell stieg aus und trat bis an den Hang. Vor ihm lag eine moderne, weit auseinandergezogene, aus den Nähten platzende Stadt. Wie überall, wo sich die Städte aufblähten, kletterten auch hier die Häuser durch die Wälder und Gärten die Hänge hinauf, glänzten die neuen Hoteldörfer in der Sonne, eine Riesenraupe aus Beton, Glas und Asphalt.
    Aber auch das alte Pula lebte noch, wie es seit 2.000 Jahren gelebt hatte … das wehrhafte sternförmige Kastell, umgeben von Parkanlagen, das römische Theater, das Herkulestor, die Porta Gemina, der Augustustempel mit seinen sechs riesigen korinthischen Säulen, der Triumphbogen der Sergier und ein mächtiges Rund, ein Hymnus aus Steinen, hunderte aufeinandergetürmte Bögen, Macht und Schönheit zum Denkmal erstarrt – die römische Arena.
    Corell suchte in seinen Taschen nach Zigaretten. Er fand keine, aber über seine Schulter reichte ihm Danica eine angerauchte hinüber, er nahm sie und sog mit einer Gier an ihr, als habe er die Zigarette zum Weiterleben nötig gehabt. »Danke –«, sagte er dabei. »Danke –«
    »Nach der Zigarette fahren wir weiter, Sascha –«, sagte Danica.
    »Ich möchte noch etwas hier oben stehenbleiben. Ein paar Minuten noch.« Corell faßte die abgerauchte Zigarette zwischen die Nägel von Zeigefinger und Daumen und machte den letzten Zug. Dann warf er sie weg, bevor er sich die Fingerkuppen verbrannte. »Soviel Schönheit für das Sterben –«
    »Ich verstehe dich nicht, Sascha.«
    Sie trat neben ihn, lehnte sich an seine Schulter und blickte hinunter auf Pula und die Arena.
    »Die Römer bauten dieses Amphitheater, um sich am Sterben zu ergötzen. Dort unten saßen 26.000 jubelnde Menschen, wenn die Gladiatoren sich gegenseitig die Schädel einschlugen oder die Glieder abhackten, und sie

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