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Ein Spiel, das die Götter sich leisten

Ein Spiel, das die Götter sich leisten

Titel: Ein Spiel, das die Götter sich leisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selim Özdogan
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aber ich hatte noch nie jemanden singen hören wie Bob Marley. Ich blieb stehen und sah Joshua an, der immer noch sang. Die anderen blieben auch stehen, die Frauen guckten zuerst zu mir, dann zu Joshua, der verstummte, grinste und die Handflächen nach oben kehrte, als wolle er sagen: Ich kann nichts dafür.
    – Hast du das gehört? fragte ich Oriana, und sie nickte nur, als sei das nichts Außergewöhnliches.
    – Er hört sich genauso an wie Bob Marley. Oriana runzelte die Stirn und krauste die Nase.
    – Mach noch mal, bat ich Joshua, und er fing an: Emancipate yourselfes from mental slavery, none but ourselves can free our minds …
    – Stimmt, sagte Oriana unbeeindruckt.
    – Robert Nesta Marley, sagte Joshua mit Stolz in der Stimme, und dann gingen wir weiter.
     
    Es war draußen schon länger dunkel, wir saßen in Eileens und Joshuas Zimmer, das aussah, als würden sie seit Wochen dort wohnen und von Ordnung nichts halten. Ich lehnte an der Fensterbank, während die anderen auf dem Bett saßen, wo Oriana gerade Eileen die Karten legte.
    – Ich sage es nicht gern, aber dir steht eine harte Zeit voller Sorgen und körperlicher Leiden bevor. Da ist eine Versuchung, der du erliegen könntest, mit dem Ergebnis, daß du von da an sehr wankelmütig wirst. Hier sehe ich einen größeren finanziellen Gewinn, aber diesem Höhepunkt folgt ein Abstieg.
    – Werde ich in Indien Erleuchtung finden? fragte Eileen.
    – Die Karten sagen, daß deine Unternehmungen ins Stocken geraten.
    Eileen blickte auf die Karten vor ihr, dann zu Oriana. Sie wirkte kühl, unberührt, als hätte sie tief in sich die Gewißheit, daß Oriana sich irrte und die wahre Erkenntnis endlich zum Greifen nahe war.
    Danach war Joshua dran, der unbedingt auf dem Boden sitzen wollte, sich erden, während Oriana ihm wahrsagte. Er schob ein wenig Dreckwäsche beiseite, um sich Platz zu schaffen, und setzte sich dann mit ausgesuchter Konzentration und Sorgfalt im halben Lotussitz nieder, die Beine verschränkt, den linken Fuß untergeschlagen und den anderen auf dem linken Oberschenkel abgelegt, so daß die rosa Sohle nach oben zeigte, der Rücken kerzengerade. Gut, er konnte singen wie Bob Marley, aber jetzt war es so, als würde er versuchen John Holmes mit der Größe seines Schwanzes zu beeindrucken. Zwischen seinen Knien und dem Teppich waren mehr als zwei Handbreit Platz. Ich widerstand der eitlen Versuchung, mich im vollen Lotus niederzulassen. Oriana setzte sich ihm gegenüber, den Rücken ans Bett gelehnt, und begann.
    – Du hast einen Weg zurückgelegt, um dich von Bindungen zu befreien. Du hast viele Angebote, Einladungen und Herausforderungen angenommen, aber jetzt kommt für dich eine Zeit, in der du lieber in Ruhe deine Erfahrungen betrachten und Lehren daraus ziehen solltest. Deine angestrebten Ziele wirst du im Moment nicht erreichen, das Begonnene ist erstarrt und wird nicht vollendet. Du wirst bald eine schlechte Nachricht erhalten. Jemand, dem du vertraust, wird dich hintergehen. Deine finanzielle Lage wird sich zum Schlechten wenden, doch diese Krise wirst du mit Leichtigkeit überwinden.
    – Werden Eileen und ich zusammen bleiben?
    – Hier ist noch eine Person, die zwischen euch steht. Man kann nicht sagen, wie weit ihr Einfluß reicht.
    – Ein anderer Mann? fragte Joshua.
    – Ja .
    Er nickte wissend. Es war ein oder zwei Minuten ganz still im Zimmer. Ich hatte nicht vor, mir jemals wieder in die Zukunft schauen zu lassen, weder von Oriana noch von sonstwem. Was wollte man eigentlich. Man erhoffte sich ein wenig Sicherheit, das Gefühl, daß die Last einem von den Schultern genommen wurde, daß man nicht ganz alleine verantwortlich war, für das, was passierte, und daß alles in diesem Leben aus einem bestimmten Grund geschah, daß es einen Plan gab, alles einen Sinn hatte, das Leiden, das Unbehagen, die Trübsal, die Plagen, der Tod. Man wollte hören, daß das Schicksal Bescheid wußte und gütig war. Aber nicht, was man noch ungefragt dazubekam. Niemand interessierte sich für das Trinkgeld vom Schicksal.
    Und welche Last trug ich denn? Ich hatte eine Hütte im Lande Sex, ich hatte kaum Sorgen, wir wurden jeden Tag satt, wir tranken Wein, wir waren niemandem etwas schuldig, wir waren nicht geknechtet, es herrschte kein Krieg, wir waren unversehrt. Was konnte man mehr haben? Es war gleichgültig, ob Oriana und ich die Tage ausfüllten oder ob wir sie leer ließen wie einen hohlen Kürbis. Die Zeit gehörte gerade uns, und wir

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