Ein Spiel um Macht und Liebe
ein Zufall.
Woher hätte Michael denn wissen sollen, wo er mich heute findet?«
»Jeder im Dorf weiß von dem Ausflug«, sagte sie wütend.
In diesem Punkt mußte Nicholas ihr zustimmen.
»Aber wenn Michael mich erschießen wollte, dann würde er nicht das Risiko eingehen, daß eine verirrte Kugel ein Kind oder eine Frau trifft.« Er preßte ein Taschentuch auf die Wunde am Pferdehals. »Vor allem würde er mich nicht verfehlen.«
Clare wußte, daß es ihr kaum etwas nützen würde, jetzt hysterisch zu werden. »Ich halte es dennoch für gesünder, wenn wir annehmen, daß der Schütze doch Lord Michael war«, sagte sie daher behutsam. »Ein paar Vorsichtsmaßnahmen könnten dir dein Leben retten.«
»Was soll ich denn deiner Meinung nach tun?«
Nicholas trieb sein Pferd in eine langsame Gangart. »Ich könnte Vermutungen darüber anstellen, aus welcher Richtung der Schuß gekommen ist, aber wer auch immer ihn abgefeuert hat, ist inzwischen längst weg. Wenn ich zum Richter ginge und Michael wegen versuchten Mordes anzeige, dann würde man mich rausschmeißen, weil ich nicht den geringsten Beweis für meine Behauptung habe. Und selbst wenn die Kugel für mich gedacht war, dann kann ich wohl kaum den Rest meines Lebens im Haus hocken und jedes Fenster vermeiden, damit ja niemand eine Chance bekommt, mich abzuknallen
– dann wäre ich schon lieber tot.«
Er warf ihr einen Blick zu. »Ich sage das nicht, um dich zu beruhigen, Clare – ich bin wirklich davon überzeugt, daß ein Wilderer versehentlich auf mich geschossen hat. Wenn Michael etwas von mir will, dann wird er mir direkt
gegenübertreten.«
»Wie lange willst du ihn denn noch in Schutz nehmen?« fragte sie hilflos. »Ich bewundere ja deine Loyalität, aber ich kann nicht begreifen, wie du dir so sicher sein kannst, was Michael tun wird und was nicht. Du hast ihn vier Jahre nicht gesehen, und er hat sich in der Zeit gewaltig verändert.«
Nicholas schwieg eine ganze Weile. Schließlich sagte er: »Natürlich ist kein Mensch gänzlich vorausberechenbar. Aber man kann jemanden so gut kennen, daß man versteht, innerhalb welcher Grenzen er agiert. Michael ist einer der wenigen Menschen, die ich derart gut kenne. Es überrascht mich nicht, daß er wütend, verbittert und aggressiv ist – die Ansätze dazu hat er immer schon in sich gehabt. Aber gleichzeitig ist sein Ehrgefühl genauso ein Teil seines Wesens wie sein Blut. Ja, er ist gefährlich. Aber ich kann und will niemals glauben, daß er niederträchtig ist.«
»Gestern bist du in der Hütte auf dem Kenyon-Besitz gewesen und hast die Bestätigung dafür bekommen, daß dort Silber geschmolzen wird«, sagte sie. »Morgen früh werden du und Owen in die Grube hinabsteigen, um Beweise für eine illegale Ausbeutung zu suchen. Falls du welche findest – glaubst du denn ernsthaft, daß Lord Michael gemütlich danebensteht und zusieht, wie du seine Gesellschaft ruinierst?«
Er musterte sie kühl. »Ich habe nicht unbedingt vor, sein Geschäft zu vernichten. Er muß nur die Sicherheitsbedingungen verbessern, dann kann er die Grube behalten. Aber wenn er Schwierigkeiten machen will…«, Nicholas zuckte die Schultern,
»dann läßt es sich nicht ändern.«
Aufgeben wollte sie dennoch nicht. »Ich verlange ja nicht, daß du dich den Rest deines Lebens im Haus versteckst. Aber könntest du wenigstens ein bißchen auf der Hut sein?«
»Keine Sorge – als ich in London war, habe ich mein Testament überarbeitet. Sollte mir etwas zustoßen, wirst du Treuhänderin eines Fonds, mit dem dir genügend Geld zur Verfügung steht, um alles Erforderliche zu Penreiths Wohlstand zu unternehmen. Im übrigen ist eine hübsche Pension für dich eingeschlossen, um dich für deine Mühe zu entschädigen.« Er grinste. »Du solltest wirklich darum beten, daß Michael mich erschießt, denn sowohl du als auch das Dorf werden von meinem Tod profitieren.«
Diese Mal schlug sie wirklich zu. Zumindest versuchte sie es, doch er fing ihre Hand mit Leichtigkeit ein und hielt sie fest, während er sein Pferd zum Stehen brachte. Auch ihr Pony hielt gehorsam an. »Wofür sollte das denn sein?«
»Wie kannst du es wagen, mir nahezulegen, ich solle um deinen Tod beten!« Tränen kullerten über ihre Wangen. »Es gibt Dinge, über die man keine Scherze macht.«
»Das Leben ist ein Scherz, Clarissima.« Er küßte sanft ihre Fingerspitzen, dann ließ er ihre Hand los. »Und das Lachen darüber ist die einzige Möglichkeit, es
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