Ein Staatsgeheimnis Am Rhein
Wohlergehen, auf das Glück der Staaten und ihrer Oberhäupter seinen Höhepunkt und zugleich sein Ende fand.
Evelyn sorgte sehr schnell dafür, daß jeder Gast einen Drink und ein Mädchen fand. Dorothee und Fabiola wurden mit besonderem Beifall willkommen geheißen. So stand die Partie fünf zu vier. Unter Hinzurechnung des deutschen Betreuers hätte sie pari gestanden. Doch der würde sich um Mitternacht verdrückt haben, denn die Extras im »Sonnentiegel« hätte ihm keine Staatskasse erstattet. Für das nun mögliche reizvolle Doppel würde sich schon jemand finden.
Mit einem nice girls here in Germany war als letzte auch Bettina von Andreas Seite abgezogen worden. Um nicht als Mauerblümchen im Schummerlicht allein zu sitzen, schob er sich in die Menschentraube an der Bar.
»Evelyn«, rief der dunkelhäutige Abwerber – alle kannten sie schon mit Namen – »will you please serve him a drink!« Das sollte wohl eine Einladung sein. »Thanks«, bedankte sich Andreas dann auch und griff zum Flying Horse. »I hope it will please you here.«
»Indeed«, kam die Antwort. » Germany is very interesting. Rhine, wine und very nice girls. I prefer the girls«, und leiser: »No disease?«
Daß Rhein, Wein und Mädchen eine gute Mischung sind, hatte so mancher Barde besungen, und daß die Girls gesund waren, daran bestand bei Lord Nelsons Auslesegrundsätzen kein Zweifel.
Schließlich wurden sie für Genf examiniert. So konnte Andreas uneingeschränkt bestätigen: »No venereal diseases, no AIDS.« Man schien ihn wohl für den hier zuständigen Rennstallbesitzer zu halten.
Mit vielen unvermeidlichen Cocktails und Whisky at it’s best, mit sich steigernden Reden in Deutsch und Englisch, durchsetzt mit den unverständlichen Lauten der Muttersprache der Gäste, untermalt von dem Kichern der Lämmchen, alles eingelullt in den Sound einer sanften Musik, so glitt der Tag aus Andreas’ Bewußtsein davon.
Irgendwie war es ihm gelungen, mit dem Wagen heil nach »Falkenlust« zu gelangen. Als die Dämmerung in seinem Gehirn dem Kopfschmerz wich, richtete er sich vorsichtig im Bett auf. Sein Jackett hing am Haken neben dem Schrank, die Schuhe lagen auf dem Teppich. Im übrigen steckte er noch in seiner Kleidung. Er hielt den brummenden Kopf mit beiden Händen und spürte Erleichterung, als er den Blick durch das Zimmer wandern ließ: Der Koffer stand neben der Tür.
Kapitel 4
Am Dienstag der neuen Woche, zu der Stunde mit dem Gold im Munde – und »Blei im Arsch«, wie Kriminalhauptmeister Wolf gang Müller in seiner immer dezenten Art zu ergänzen pflegte, wurde in der Ritterhausstraße das Souterrain eines Altbaus renoviert. Die Fenster des Wohnraums schützten schmiedeeiserne Gitter und gaben Sicherheit vor Ein- und Ausbrechern.
Hier durfte sich Hauptkommissar Freiberg vom 1. Kommissariat der Bonner Kripo so recht zu Hause fühlen. Mit der neuen Bleibe hatte es endlich geklappt.
Das Haupt des auf der Stehleiter turnenden Beamten zierte ein weiß bekleckerter Papierhelm, kunstvoll aus einem Doppelblatt der »Bild«-Zeitung gefaltet. Triefendes Rot der Schlagzeilenbalken, sattes Schwarz der riesigen Lettern, das Foto einer knackigen Miss, dazu das zarte Grün eines Werbespots gegen Husten hatten sich mit der herabtröpfelnden Deckenfarbe zu einem collageähnlichen Kunstwerk verbunden. Über den Fußboden liefen Elektrokabel. An der Steckerverbindung hing ein Radiorecorder, dem Mozarts Fagottkonzert entströmte. – Walter Freiberg pinselte beschwingt die Zimmerdecke.
Der Ruf »Helm ab zum Gebet!« ließ den Morgenarbeiter herumfahren. Vom Quast tröpfelte weiße Farbe auf den Papierhelm und das T-Shirt mit dem Bonner Kußmund.
»Lupus! Dich schickt die Hölle!« begrüßte der Helmträger seinen Mitarbeiter. »Du störst bei ehrenwertem Schaffen, und zwar sehr. Es sei denn, du willst mir helfen.«
»Chef, mich dauert dein Schicksal. Steig herab aus deinen Höhen – auf uns wartet der Tod!«
Walter Freiberg schleuderte mit gezielten Handbewegungen die Farbe vom Quast in den Plastikeimer, fast so, als wolle er Weihwasser verspritzen.
Lupus hüpfte einen Schritt zurück. »Tut mir ja leid, Chef, dich bei so schöpferischem Tun zu stören, aber eine frische Leiche dürfen wir nicht warten lassen.«
Freiberg stöhnte laut. »Doch nicht jetzt! Wann soll sich denn aus dieser Behausung jemals ein Heim entwickeln?«
»Wenn das Telefon angeschlossen ist«, kam die prompte Antwort.
»Recht hast du.
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