Ein stiller Waldteich: Die Erkenntnismeditation von Ajahn Chah (German Edition)
dieses tiefe Verständnis hast, kannst du, was immer auch geschieht, geschehen lassen; alle Dinge ziehen vorüber und werden überwunden. Du wirst einen Punkt erreichen, wo das Herz sich selbst sagt, was zu tun ist; stets wird es dich anspornen, stets ist es achtsam. Dein einziges Interesse muß darin liegen, die Übung fortzusetzen.
Warum praktizieren Sie?
Eine Gruppe Reisender suchte Ajahn Chah auf, um ihm drei wohlüberlegte Fragen zu stellen: Warum praktizieren Sie? Wie praktizieren Sie? Was ist das Resultat Ihrer Praxis? Die Leute waren von einer europäischen religiösen Organisation als Delegierte geschickt worden, um diese Fragen an eine Reihe großer Meister in ganz Asien zu richten.
Ajahn Chah schloß seine Augen, wartete und antwortete dann mit drei eigenen Fragen: Warum eßt ihr? Wie eßt ihr? Wie fühlt ihr euch, nachdem ihr gut gegessen habt? Dann lachte er.
Später erklärte er, daß wir eigentlich immer schon verstehen und daß die Unterweisungen die Schüler zurück auf ihre eigene innere Weisheit lenken müssen, auf ihr eigenes, natürliches Dharma. Deshalb hatte er die Suche dieser Leute, die durch ganz Asien reisten, auf diese größere Suche bezogen, auf die Suche, die im Inneren stattfindet.
Laß den Baum wachsen
Der Buddha lehrte, daß du, sobald du deine Arbeit erst einmal getan hast, bei Dingen, die sich von allein entwickeln, die Resultate der Natur überlassen kannst, der Kraft deines angesammelten Karmas. Dennoch solltest du in deinen Bemühungen nicht nachlassen. Ob die Frucht der Weisheit schnell oder langsam kommt, du kannst es nicht erzwingen, genauso wie du das Wachstum eines Baumes, den du gepflanzt hast, nicht erzwingen kannst. Der Baum hat seine eigene Geschwindigkeit. Deine Arbeit besteht darin, ein Loch zu graben, ihn zu wässern, zu düngen und vor Insekten zu beschützen. Soviel ist deine Sache, eine Sache des Vertrauens. Doch die Art und Weise, wie der Baum wächst, ist Sache des Baumes. Wenn du so praktizierst, kannst du sicher sein, daß alles gelingt und deine Pflanze wachsen wird.
Du mußt also den Unterschied zwischen deiner Arbeit und der Arbeit der Pflanze verstehen. Überlaß der Pflanze ihr Geschäft, und sei verantwortlich für dein eigenes. Wenn der Geist nicht weiß, was zu tun ist, wird er versuchen, die Pflanze dazu zu zwingen, in einem Tag zu wachsen, zu blühen und Früchte zu tragen. Diese Ansicht ist falsch und ein Hauptgrund des Leidens. Praktiziere einfach in die richtige Richtung, und überlaß den Rest deinem Karma. Dann wird deine Praxis friedvoll sein, ob es nun ein oder einhundert oder eintausend Leben dauert.
Zuviel des Guten
Als Ajahn Chah ein neues amerikanisches Meditationszentrum besuchte, waren die vielen westlichen Schüler dort schnell bezaubert und beeindruckt von seinen Lehren. Ajahn Chah war klar und direkt, und als er sich über die Ängste und Anhaftungen der Leute lustig machte, dennoch voller Liebe und Humor. Es war aufregend, solch einen geschickten und berühmten Meister zu Besuch zu haben. Alles war wunderbar, die neuen Geschichten, Mönche in goldfarbenen Roben und frische Dharmaworte. »Bitte gehen Sie nicht so schnell wie geplant, versuchen Sie doch, eine längere Zeit zu bleiben«, baten die Studenten, »wir sind so froh, Sie hier zu haben.«
Ajahn Chah lächelte. »Natürlich sind die Dinge nett, wenn sie neu sind. Aber falls ich bleibe und lehre und euch zur Arbeit anhalte, werdet ihr meiner müde werden, nicht wahr? Wie ist eure Praxis, wenn die Aufregung des Neuen nachläßt? Binnen kurzem würdet ihr euch mit mir langweilen. Wie kann dieser ruhelose, verlangende Geist gestoppt werden? Wer kann euch das lehren? Nur dort, im eigenen Geist, könnt ihr das wahre Dharma lernen.«
D RITTER T EIL
Unser Leben ist unsere Praxis
Meditation ist nicht vom Rest des Lebens getrennt. Alle Situationen bieten Gelegenheit zu praktizieren, an Weisheit und Mitgefühl zu wachsen. Ajahn Chah lehrt, daß rechtes Bemühen für uns bedeutet, bei allen Ereignissen achtsam zu sein, ohne vor der Welt wegzulaufen, und zu lernen, ohne Ergreifen oder Anhaften zu handeln.
Darüber hinaus besteht er darauf, daß die Grundlage für ein spirituelles Leben die Tugend ist. Obwohl Tugend in der modernen Gesellschaft vernachlässigt wird, muß sie als ein fundamentaler Teil der Meditation verstanden und wertgeschätzt werden. Tugend bedeutet, daß wir darauf achten, keinem anderen Wesen durch Gedanken, Worte oder Taten zu schaden. Diese Achtung und
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