Ein stiller Waldteich: Die Erkenntnismeditation von Ajahn Chah (German Edition)
anfängliche Atemmeditation.
Die erste Anweisung für die Sitzpraxis ist, den Geist zu beruhigen und zu konzentrieren. Richte die Aufmerksamkeit in einer leichten und natürlichen Weise auf den Atem, indem du ihn kommen und gehen läßt, ohne einzugreifen. Nimm die Empfindung, die direkte Erfahrung des Atems, als Konzentrationspunkt und beobachte, wie der Atem in die Nasenlöcher eingeht und sie verläßt. Folge still der Empfindung des Atems, solange du kannst. Kehre jedes Mal, wenn du bemerkst, daß der Geist abschweift (was Tausende Male vorkommen wird, bevor er geschult ist), sanft zur Konzentration auf den Atem zurück.
Diese Meditation ist ein Weg, unsere unmittelbarste Erfahrung – die sich stets verändernde Wirklichkeit des Atems – zu nutzen, um den Geist zu konzentrieren. Man wird angewiesen, diese einfache Übung geduldig fortzusetzen. Die Konzentration auf den Atem ist ein Mittel zur Stärkung der Fähigkeit des Geistes, sich zu sammeln und zu erkennen, und kann schließlich zu den höchsten Stufen meditativer Vertiefung und zu Samadhi führen.
Vertiefungszustände sind jedoch nicht das Ziel der Praxis, wie sie von Ajahn Chah gelehrt wird, obwohl sie bei einigen im Laufe ihrer Meditation ganz natürlich entstehen mögen. Die Schüler sollen vielmehr die Konzentration und Stille, die sie durch die Achtsamkeit auf den Atem entwickeln, im zweiten Aspekt ihrer Praxis als Hilfe gebrauchen. Sobald der Geist ein gewisses Maß an Ruhe und Sammlung erreicht hat, wird man angewiesen, mit der Untersuchung der Funktionsweisen von Geist und Körper zu beginnen. Untersuchen oder Kontemplieren bedeutet nicht Nachdenken, sondern eher fühlen, unmittelbar erfahren, wie unsere Welt funktioniert. Erforsche die Bestandteile des Körpers und des Geistes, rät Ajahn Chah oft. Beobachte zuerst den Körper, der unmittelbar als ein immerzu sich veränderndes Spiel der Sinne erfahren wird – heiß, kalt, hell, dunkel, weich, hart, schwer, leicht und so weiter.
Erforsche die Bestandteile des Gefühls – angenehm, neutral und unangenehm –, jeden Augenblick wechselnd. Bemerke das Spiel von Wahrnehmung, Erinnerung und Gedanken, von Reaktionen, Willensimpulsen und Bewußtsein; nimm die Qualität wahr, die jede dieser Erfahrungen in jedem Moment von neuem mit sich bringt. Sieh, wie das Leben eine dynamische Wechselwirkung dieser Bestandteile ist – entstehend, sich verändernd, vergehend. Sinnesobjekte, Gefühl, Wiedererkennen, Reaktion, Willensimpuls – derselbe Prozeß immer und immer wieder. Bemerke, was für eine Erfahrung es ist, wenn Verlangen oder Erwartung entstehen. Erkenne die Ursachen des Leidens. Nimm die Stille wahr, wenn der Geist nicht von Verlangen erfaßt ist.
Gibt es irgendeinen Teil der Erfahrung, der nicht die Merkmale des fortwährenden Wechsels und der flüchtigen Unbeständigkeit aufweist, irgendeinen Teil, der andauernde Befriedigung gibt und nicht leer von einem Selbst, von einem Ich, ist? Wo ist das Selbst in all diesen Dingen? Untersuche dies und du wirst feststellen, auf welch absolute Weise sich alles verändert. Es existiert kein Ich, kein festes Selbst. Nur dieser Prozeß.
Zu lernen, tief in die Erfahrung und deren Merkmale hineinzuschauen, ist nicht auf die Sitzmeditation beschränkt. Geh und beobachte. Praktiziere die Gehmeditation in einem natürlichen Tempo, vorwärts und zurück; tue dies, falls möglich, viele Stunden lang. Lerne achtzugeben, und es gibt nichts, was du nicht verstehen wirst. Dies ist das Herz der Praxis.
In vielen Klöstern sind tägliche Gespräche mit dem Lehrer ein wesentlicher Teil der Übung, doch Ajahn Chah rät davon ab. Obwohl er immer für Fragen zur Verfügung steht, führt er keine formalen Gespräche durch. Zu lernen, die eigene Frage selbst zu beantworten, sei besser, sagt er. Erfahre den Zweifel in deinem Geist; beobachte, wie er entsteht und wie er vergeht. Niemand und nichts kann dich befreien, außer dein eigenes Verständnis. Laß den Geist, das Herz zur Ruhe kommen, und lerne zu beobachten. Du wirst herausfinden, daß sich das gesamte Dharma des Buddha in jedem Moment selbst enthüllt.
Achtsamkeit
Genauso wie die Tiere in zwei Gruppen eingeteilt werden können, in Geschöpfe des Landes und Geschöpfe des Meeres, so können die Themen der Meditation in zwei Kategorien – in Konzentration und Erkenntnis – eingeteilt werden. Die Konzentrationsübungen sollen den Geist ruhig und einsgerichtet machen. Die Erkenntnis ist einerseits die wachsende
Weitere Kostenlose Bücher