Ein sueßer Kuss als Antwort
Was, wenn Lord Stainton es unpassend fand, dass die Tochter der Kinderfrau Umgang mit seinen Töchtern hatte? „Sosehr ich diese Stellung auch will … ich werde mich nicht von meiner Tochter trennen.“
„Das erwartet niemand von Ihnen“, beruhigte er sie. „Sie kann das Kinderzimmer mit Abigail und Sophie teilen. Wenn ich mich recht erinnere, kommen die drei bestens miteinander zurecht.“
„Ja … stimmt.“
„Dann wäre das auch geklärt.“ Damit drehte er sich um und ging zur Tür. Über die Schulter hinweg sagte er noch: „Ich erwarte Sie morgen früh um zehn Uhr.“
Tags darauf fand sich Eve mit Estelle in der Upper Brook Street ein. Sie wurden schon erwartet und direkt in den Salon geführt. Unmittelbar darauf erschien Lord Stainton und kam mit einem Lächeln auf den Lippen auf sie zu. Ein Lächeln, das Eve bis ins Herz drang.
Sie fühlte sich seltsam befangen, jetzt, da er ihr Dienstherr war.
„Ich hoffe, ich bin nicht zu spät“, sagte sie bang.
„Keineswegs, Mrs. Brody.“ Lucas wandte sich an den Bediensteten, der abwartend neben der Tür stand: „Wären Sie so freundlich, Mrs. Coombs zu holen?“
„Ist Mrs. Coombs Ihre Haushälterin?“, wollte Eve wissen, als der Diener das Zimmer verlassen hatte.
Lucas nickte. „Ja. Sie war vor vielen, vielen Jahren meine Kinderfrau. Im Moment befinden sich nur noch acht Personen in meinen Diensten. Da ich gezwungen bin, das Haus zu verkaufen, habe ich einen Großteil des Personals entlassen … Ach, da ist ja schon Mrs. Coombs.“
Mit einem herzlichen Lächeln wandte Lucas sich der Haushälterin zu. „Mrs. Coombs, das ist Mrs. Brody, die Miss Lacy ersetzen wird. Bitte zeigen Sie ihr, wo sich das Kinderzimmer befindet, damit sie sich mit allem vertraut machen kann.“
Eves Name war Mrs. Coombs nicht unbekannt. Sie hatte von Sarah schon alles über die fulminante Begegnung zwischen Lord Stainton und Mrs. Brody gehört. Der ganze Haushalt sprach von nichts anderem mehr. Es gab nämlich nicht viele Menschen, die den Mut hatten, Seiner Lordschaft Kontra zu bieten. Aber Mrs. Brody hatte sich allem Anschein nach wacker gehalten und sich nichts gefallen lassen. Umso besser, dachte Mrs. Coombs. Hoffentlich lässt sie sich nicht unterkriegen.
Als Eve das Kinderzimmer betrat, begrüßte sie Sarah herzlich. „Wie geht es Ihnen … und Ihrem Bräutigam?“
„Mark ist froh, dass wir endlich heiraten können. Aber ich war außer mir vor Sorge wegen der Kinder. Ich bin so erleichtert, dass Sie jetzt hier sind. Abigail und Sophie hängen sehr an Ihnen.“
Eve nahm auf der gepolsterten Fensterbank Platz und bat Sarah, sich zu ihr zu setzen. „Erzählen Sie mir alles, worüber ich Bescheid wissen muss.“
„Gerne. Aber ehrlich gesagt, gibt es da nicht viel zu wissen. Das Leben der Kinder gestaltet sich ziemlich ereignislos … zumindest seit dem schrecklichen Tag … dem Tag, an dem ihre Mutter sie verlassen hat.“
„Das muss wirklich entsetzlich gewesen sein für die beiden …“, sagte Eve mitfühlend. „Und für Lord Stainton ebenfalls.“
„Oh ja!“ Sarah nickte bekümmert. „Seine Frau hat sich in der Tat skandalös verhalten – ihn zu verlassen … und dann noch wegen des eigenen Bruders. Um ihr schändliches Verhalten zu rechtfertigen, hat sie überall herumerzählt, wie schrecklich ihr Mann sie behandelt habe. Aber ich muss Ihnen sagen, Mrs. Brody, ich kann das nicht glauben. Lord Stainton war immer rücksichtsvoll und zuvorkommend.“ Sarah biss sich erschrocken auf die Lippe. „Entschuldigen Sie … ich wollte nicht …“
„Keine Sorge, Sarah.“ Eve drückte ihr beruhigend die Hand. „Ich verstehe schon, was Sie meinen. Was mich jedoch vor allem interessiert: Wie ist Lord Staintons Verhältnis zu seinen Kindern?“
„Eigentlich … eigentlich kann er nicht viel mit ihnen anfangen. Sicher, er kommt jeden Tag und besucht sie im Kinderzimmer – und er ist ihnen auch zugetan –, aber er hat eben nicht viel Zeit …“
Sarah rang sichtlich nach Worten, und Eve drückte ihr wieder beruhigend die Hand. „Ich weiß, was Sie sagen wollen. Lord Stainton betrachtet es eher als Pflicht denn als Vergnügen. Aber ich bin zuversichtlich, dass sich seine Einstellung über kurz oder lang ändern wird.“
„Oh, Mrs. Brody!“ In Sarahs Augen standen Tränen. „Das wünschte ich mir so sehr. Wo doch die armen Kleinen schon die Liebe ihrer Mutter entbehren. Ich habe ein ganz schlechtes Gewissen, dass auch ich sie nun im Stich
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