Ein sueßer Kuss als Antwort
bereits tief und fest. Eve und Lucas waren allein. Im Begriff, noch einen Nachttrunk zu nehmen, wurden sie von einem Lakaien gestört, der die Ankunft eines Mr. Edward Barstow meldete.
„Ich habe ihn in Ihr Arbeitszimmer geführt, Mylord.“
Fragend blickte Lucas seine Braut an. „Barstow? Dein Anwalt? Was mag er zu so später Stunde wollen?“
Eine dunkle Vorahnung beschlich Eve. „Das werden wir sicher gleich herausfinden.“
Mr. Barstow, der sich vor dem Schreibtisch niedergelassen hatte, sprang auf, als die beiden den Raum betraten. Er schien ungewöhnlich angespannt und schluckte aufgeregt. Lucas trat hinter seinen Schreibtisch und setzte sich. Gleichzeitig nickte er dem Anwalt zu, sein Anliegen vorzubringen.
Mr. Barstow räusperte sich ausgiebig, bevor er zu sprechen begann. „Guten Abend, Lord Stainton, Lady Stainton. Entschuldigen Sie mein Erscheinen zu dieser vorgerückten Stunde – und dann noch an einem Tag wie diesem, aber … aber die Angelegenheit duldet keinen Aufschub.“
Eve, die es befremdlich fand, dass er ihnen nicht gratulierte, bot ihm etwas zu trinken an, doch Mr. Barstow lehnte dankend ab.
Stattdessen entnahm er seiner Aktentasche ein Dokument. „Ich habe dieses Schreiben heute erhalten. Es stammt von einem Mr. Pilger, der sich in New York um den Nachlass Ihres Vaters gekümmert hat.“ Er überreichte Eve das Blatt Papier. „Angesichts der Tragweite seines Inhalts hielt ich es für das Beste, Sie und Lord Stainton unverzüglich davon zu unterrichten.“
Ratlos blickte Eve ihn an.
„Bitte sehen Sie selbst, Lady Stainton“, sagte Mr. Barstow, als er Eve zögern sah.
Sie begann zu lesen und wirkte wie vor den Kopf geschlagen. Eine eisige Kälte griff nach ihrem Herz. Ihr Verstand weigerte sich, die Worte zu verstehen. Schließlich ließ sie die Hand sinken. Ein Ausdruck blanken Entsetzens lag auf ihrem Gesicht.
Erschrocken über die wächserne Blässe, die sich auf ihren Zügen zeigte, sprang Lucas auf. „Eve? Was ist?“
Mit zitternden Händen reichte sie ihm das Schriftstück. „Bitte, lies selbst. Vielleicht verstehst du, was das alles zu bedeuten hat.“
Wortlos überflog Lucas das Schreiben. Mit keiner Regung verriet er jedoch den inneren Aufruhr, den das Gelesene bei ihm hervorrief. Ohne eine Bemerkung gab er das Papier dem Anwalt zurück.
Mr. Barstow, der wusste, dass jeder Trost fehl am Platze war, blickte zu Eve. „Es tut mir sehr leid, Lady Stainton. Das muss ein Schock für Sie sein.“
„Aber, Mr. Barstow, ich verstehe nicht“, sagte Eve verzweifelt. „Das ist nicht möglich. Da muss ein Missverständnis vorliegen. Meine Anweisungen waren doch sehr einfach und deutlich. Ich hatte Sie informiert, vom Moment meiner Eheschließung an ginge mein gesamtes Vermögen in die Hände meines Gatten über. Er hat jetzt Anspruch auf jeden einzelnen Penny.“
„Nur, dass Sie das Geld nicht mehr zu Ihrer Verfügung haben … zumindest keinen nennenswerten Betrag“, erwiderte der Anwalt bedauernd.
„Das kann doch nicht sein!“, protestierte Eve. „Mein Vater war ein sehr reicher Mann. Er hat mir ein Vermögen hinterlassen. Es kann einfach nicht … weg sein!“
„Es sieht so aus, als ob er mit einem Großteil seiner Investitionen Verluste gemacht hätte.“
„Wie ist denn so etwas über Nacht möglich?“
Mr. Barstow zuckte hilflos mit den Schultern. „Anscheinend hatten die Aktien schon seit Längerem an Wert verloren, und die momentane Krise hat ihr Übriges beigetragen. Deshalb zog sich die Angelegenheit auch so lange hin. Die Bank hat alle laufenden Kredite gekündigt. Es ist nicht nur das Vermögen Ihres Vaters davon betroffen, Lady Stainton. Viele Geschäftsleute sind vom Ruin bedroht.“
„Wusste der Vater meiner Gattin davon, bevor er starb?“, fragte Lucas. Es war ihm selbst unerklärlich, wie er es schaffte, so ruhig zu bleiben.
„Ich gehe davon aus. Er hat noch versucht, einige seiner Aktien zu verkaufen, in der Hoffnung, den Rest seines Vermögens zu retten“, antwortete Mr. Barstow ernst. „Vielleicht hätte er – wenn ihm die Zeit geblieben wäre – das Ruder noch einmal herumreißen können. Aber so …“
„Ich hatte keine Ahnung, Lucas. Das musst du mir glauben“, flüsterte Eve. „Gibt es Gläubiger? Sind Schulden zu bezahlen?“
„Nicht, dass ich wüsste.“ Mr. Barstow schloss seine Aktenmappe. „Mr. Pilger ist dabei, die abschließenden Arrangements zu treffen, und wird mir die restlichen Unterlagen zukommen
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