Ein süßer Sommer
bist.»
«Nein, wir reden jetzt», widersprach ich.
«Morgen reden nämlich andere, und die wollten mich gar nicht mehr zu dir lassen.» Dann schaffte ich es endlich, beide Arme um sie zu legen. Wie zierlich sie war. Und so warm. Und fast nackt. Und sie duftete. Ich hob sie hoch, hob einfach meine Arme ein bisschen an, drückte sie fester gegen mich und trug sie so zum Bett hinüber. Ich legte sie hin und deckte sie mit dem Laken zu. Es half nicht viel, der Stoff war zu dünn. Er hielt weder ihren Duft von mir ab noch ihre Wärme. Sie hatte Angst, ich konnte es deutlich in ihrem Blick sehen. Sie war verunsichert und auf Vorsicht bedacht, wie immer auf Vorsicht bedacht. Bereit, meine Version anzuhören und sich dann gleich eine neue zurechtzulegen. Aber ich war auch auf Vorsicht bedacht, traute ihr nicht mehr, setzte mich auf die Bettkante. Im Licht aus der Diele konnte ich ihr Gesicht deutlich erkennen. Mein Gesicht dagegen lag im Schatten.
«Reden wir nicht lange um den Brei herum», sagte ich.
«Du bist nach Köln gekommen, um deinen Vater aufzuspüren. Dagegen hat niemand etwas einzuwenden. Aber Blutschande ist strafbar. War es das, was du wolltest? Willst du ihn auf die Weise hinter Gitter bringen, weil man ihn für den Tod deiner Mutter nicht zur Verantwortung ziehen kann? Das funktioniert nicht, Candy. Es kann nicht funktionieren, solange er nicht weiß, dass du seine Tochter bist. Und das weiß er nicht, hab ich Recht?» Sie schwieg, schaute mich nur an.
«Na, komm schon», forderte ich,«mir kannst du es verraten. Der dämliche Mike wird es nicht weitersagen. Wie hast du es dir vorgestellt? Einen hübschen Skandal in der Presse? Hoher Beamter im Verteidigungsministerium schläft mit der eigenen Tochter?» Endlich flüsterte sie:
«Du weißt ja gar nicht, wovon du sprichst.»
«Ja, ich weiß», sagte ich.
«Männer sind zu blöd, die wissen nie, was Sache ist. Aber vielleicht weiß ich es doch. Deine Mutter, die romantische Heldin, die sich sogar ihr Kind wegnehmen ließ, damit es ein schönes und geordnetes Leben hat. Dein Vater, das Schwein. Und du, der Racheengel. Das verstehe ich sogar. Ich verstehe nur nicht, warum ich dann auch noch herhalten musste. War der Mistkerl nicht gut genug? Brauchtest du nach den Schnecken noch ein Dessert? Oder hattest du dich einfach überschätzt? Brauchtest du anschließend einen Radiergummi?» Jetzt verstand sie nicht, wie denn au ch? Sie starrte mich nur an, biss sich auf die Lippen, ihre Lider flatterten.
«Ich liebe dich, Mike.» Und gleich darauf:
«Du tust mir weh.» Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich ihre Schultern mit beiden Händen umklammert hielt.
«Du liebst mich.» Ich wusste wieder einmal nicht, ob ich darüber lachen oder weinen sollte.
«Natürlich», sagte ich.
«Mich liebst du, ihn hasst du, er ist ja nur ein Stück Dreck. Wenn man ihn in den Arsch tritt, muss man die Schuhe anschließend wegwerfen. Glaubst du, ich stecke es einfach weg, dass du deine Schuhe dann in mein Schlafzimmer geworfen hast?»
«Ich habe nicht mit ihm geschlafen», murmelte sie.
«Ich weiß gar nicht, wie du auf so eine verrückte Idee kommst. Hat er damit geprahlt? Dann lügt er, Mike.» Sie nahm offenbar an, ich hätte mit Gerswein gesprochen. Und dann machte ich einen großen Fehler. Ich erzählte ihr, was ich mir zurechtgelegt hatte, was ich beruflich machte und gelesen hatte über den Abend, den sie mit Gerswein in seinem Apartment mit Rheinblick verbracht hatte. Den kleinen Sender, den sie selbst an ihrem Hals in eine der Wohnungen getragen hatte, erwähnte ich nicht, sprach nur von einem Richtmikrophon, von Philipp Assmann und dem Gespräch auf der Terrasse in Hamburg. Margarete und Helen. Keine Helga, nirgendwo eine Helga. Ich redete vielleicht ein bisschen durcheinander, stellte meine Vermutungen am Computer ebenso als erwiesen hin wie alles andere. Candy hörte zu; ganz ruhig, wie es schien. Nur an ihrem Atem konnte ich erkennen, welch einen Schlag ich ihr versetzte. Der liebe, gute, arme, blöde Mike war nur ein mieser Schnüffler. Irgendwann kroch ich zu ihr ins Bett und nahm sie mir. Ich wusste einfach nicht, was ich sonst mit ihr tun sollte. Es gab ja nur zwei Möglichkeiten. Sie windelweich prügeln oder sie lieben. Und schlagen konnte ich sie nicht. Ich hätte ihr niemals ein Haar krümmen können. Mir fiel zwar auf, wie steif sie sich machte. Aber ich hielt sie fest, oder mich an ihr, erzählte weiter, dass ich anfangs gelacht hatte, genau so, wie
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