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Ein süßer Sommer

Ein süßer Sommer

Titel: Ein süßer Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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allmählich der Tatsache bewusst geworden, dass sie alleine mit einem fremden Mann – der ihr bereits von Vergewaltigung und Mord erzählt hatte – in dessen Wohnung war. Sie kratzte mit dem Löffel die Schaumreste aus ihrer Tasse, leckte sorgfältig den Löffel ab und erkundigte sich:
    «Soll ich im Wohnzimmer schlafen?» Sie sollte und musste dafür nicht mal ihren Schlafsack ausrollen. Die kleine Couch neben der Stereoanlage auf der zweiten Ebene ließ sich ausziehen und ergab ein ganz passables Bett, das bisher noch nie gebraucht worden war. Angeschafft hatte ich mir eine Schlafcouch und zusätzliches Bettzeug mit dem Gedanken an meinen Neffen, der nach meinem Einzug in diese Wohnung oft davon gesprochen hatte, ein Wochenende bei mir verbringen zu wollen. Wir hatten immer ein sehr gutes Verhältnis gehabt. Und wenn der Onkel Privatdetektiv ist, klingt das sehr aufregend. Aber wenn der Onkel auch am Wochenende im Einsatz ist, nie über seine brandgefährliche Tätigkeit spricht, wenn er nicht mal eine Pistole zu Hause hat, ist es bei ihm gar nicht so spannend, wie ein Zehn-, Elf- oder Zwölfjähriger sich das vorstellt. Ich holte ein Kissen, eine Decke und Bettwäsche aus der Truhe im Schlafzimmer. Während Candy das Kissen bezog, zog ich die Couch aus. Danach fiel mir meine Rückmeldung in der Agentur wieder ein. Für so etwas war man vor vierzehn Jahren noch aufs eigene Telefon oder Telefonzellen angewiesen. Handys – ich weiß gar nicht, ob es damals überhaupt schon welche gab, wenn ja, waren sie wohl noch unerschwinglich. Ich wählte und hatte gleich nach dem ersten Freizeichen Frau Gruberts Stimme im Ohr. Das mag im Hinblick auf die Uhrzeit ungewöhnlich erscheinen, aber wenn man Frau Grubert kannte, war es völlig normal. Sie war siebenundfünfzig Jahre alt, allein stehend, betrachtete die Agentur als ihre Familie und sich als Mutter der Kompanie, auch wenn sie jeden – mit Ausnahme von Tamara, mit der sie den ganzen Tag zu tun hatte – mit einem höflichen Sie ansprach. Und Mütter gehen erst ins Bett, wenn die Kinder wieder sicher daheim sind. Ich fasste mich kurz, kein Wort zu viel, bestimmt keines, aus dem Candy Rückschlüsse auf meine beruflichen Aktivitäten hätte ziehen können. Es gab keinen besonderen Grund für eine derartige Zurückhaltung, oder doch, die Zurückhaltung gehörte zum Beruf. Ich mochte das nicht, zuerst diese erstaunt aufgerissenen Augen. Ein Privatdetektiv? Dann das abfällige Grinsen. Ach Gott, ein Schnüffler. Mein Urlaub bis einschließlich Mittwoch war immer noch ungefährdet, obwohl nun auch Hartmut Bender eine Art Vaterschaftsurlaub bekommen hatte. Aber im Moment hatten wir ein bisschen Luft, der Chef stand wegen eines neuen Auftrags noch in Verhandlungen. Ob ich trotzdem rasch vorbeikommen könne, bat Frau Grubert. Nicht wegen der beiden Pistolen, die wurden über Nacht nicht gebraucht, und dass ich sie sorgsam aufbewahrte, bezweifelte sie nicht. Aber bezüglich des Auftrags, den ich ab Donnerstag übernehmen sollte, sei eine Mappe mit Material abgegeben worden, das ich mir vor meinem Einsatz unbedingt anschauen müsse.
    «Reicht es, wenn ich mir die Mappe morgen hole?», fragte ich. Das müsse ich selbst entscheiden, meinte Frau Grubert leicht pikiert von meinem mangelnden Arbeitseifer. Sie fand, für die Gehälter, die Hamacher speziell seinen Mitarbeitern im Außendienst zahlte, könnten wir uns getrost auch mal ein Bein für die Agentur ausreißen.
    «Es ist eine Menge Material.»
    «Gut», sagte ich.
    «Dann komme ich morgen früh, jetzt passt es nicht. Ich habe Besuch.» Ein besonderes Opfer verlangte ich Frau Grubert damit nicht ab. Sie war auch samstags, sogar sonntags im Büro, von morgens bis abends. Ich glaube, sie ging immer nur nach Hause, wenn Hamacher sie rauswarf. Anschließend rief ich noch bei meinen Eltern an, damit meine Mutter nicht am Montag, Dienstag oder Mittwoch hereinschneite, um mein Bett frisch zu beziehen, die Fenster zu putzen oder meine schmutzige Wäsche abzuholen. Nachdem ich aufgelegt hatte, fragte Candy:
    «Darf ich auch kurz telefonieren? Ich bezahle das Gespräch natürlich. Ich möchte nur meiner Tante sagen, dass ich gut angekommen bin.» Ich hatte den Verdacht, dass sie sich eine Rückversicherung schaffen wollte, indem sie ihrer Familie mitteilte, wo genau und bei wem sie sich aufhielt. Umso erstaunter war ich, als ich sie dann sprechen hörte. Den ersten Sätzen war zweifelsfrei zu entnehmen, dass sie sich klammheimlich aus

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