Ein süßer Sommer
Augsburg verdrückt und Tante Gertrud in helle Aufregung versetzt hatte. Auf ein paar Beschwichtigungen –
«Ich bin doch kein kleines Kind mehr. Und ich hatte dir gesagt, dass ich nicht lange bleibe. Mami meint auch, es wird höchste Zeit, dass ich mich mal in der Welt umsehe» – folgte ein Vorwurf, weil Tante Gertrud bereits Mami alarmiert hatte. Und es wäre nun wirklich nicht nötig gewesen, Mami in Sorge zu versetzen. Anschließend behauptete sie, sie sei in einer Jugendherberge in der Nähe von Koblenz und könne nicht versprechen, sich morgen zu melden. Sie habe sich nämlich im Zug einer Gruppe von jungen Leuten angeschlossen, die über Paris in die Normandie wollten und bereit wären, sie mitzunehmen. Da wüsste sie nicht, wo sie morgen sei und ob es dort Telefon gäbe. Zum Abschluss bat sie, Tante Gertrud möge doch bitte sofort Mami verständigen, dass alles in bester Ordnung sei, sie selbst habe leider nicht so viel Kleingeld. Als sie auflegte, lächelte sie mich an. Ihre Schwindelei vor mir zu rechtfertigen, hielt sie für überflüssig, kam gleich zur Sache.
«Sie haben keinen Gebührenzähler, ist eine Mark okay? Nach zehn Uhr ist es ja nicht mehr so teuer.»
«Das Gespräch für den Salat», sagte ich. Sie schüttelte den Kopf, zerrte dabei bereits das T-Shirt aus der Jeans, griff sich mit beiden Händen in den Rücken, löste ihr Vermögen vom Leib und legte den Gürtel achtlos auf den Tisch, nachdem ihr eingefallen war:
«Das Kleingeld habe ich doch in der Jacke. Machen wir es so, den Salat für die Couch, sie ist mehr wert, ich lege noch ein Frühstück drauf. Aber das Gespräch bezahle ich. Ich mag es nicht, wenn ich Leuten etwas schuldig bin.» Mit einem hinreißenden Lächeln fügte sie hinzu.
«Bei netten Leuten mag ich es gar nicht.»
«Wie du meinst», sagte ich und wollte zur Dielentür. Sie stand noch unschlüssig neben dem Telefon.
«Sie müssen doch morgen früh weg, wann müssen Sie denn aufstehen?»
«Um sieben», sagte ich. Acht Uhr hätte eigentlich auch gereicht, aber ich wusste ja nicht, ob Frau Grubert sich damit begnügte, mir die Menge Material auszuhändigen. Wenn sie sich bemüßigt fühlte, mir auch noch alle Einzelheiten zu erklären, konnte das dauern. Und Einkäufe fürs Wochenende musste ich anschließend auch unbedingt machen. Das wollte ich nicht erst um elf oder zwölf tun, wenn all die Langschläfer ihre Einkaufstouren machten. Candy nickte und lächelte wieder.
«Okay, Frühstück um sieben. Danach verschwinde ich.» Ich ging ins Bad und anschließend noch einmal in die Küche. Das benutzte Geschirr stand noch auf dem Tisch. Ich stellte es in den Ausguss, ließ Wasser über die Teller, in die Schlüssel und die Tassen laufen, damit nicht alles eintrocknete. Candy huschte währenddessen mit einer Kulturtasche in der Hand durch die Diele. Ihre Jeans und das T-Shirt hatte sie gegen ein bodenlanges, dunkelrotes Gewand getauscht, das sie noch kindlicher machte. Dann lag ich im Bett, die Tür war bis auf einen schmalen Spalt zugedrückt. Die beiden Pistolen lagen neben mir unter der Decke, was mir hirnrissig vorkam, aber sicher war sicher. Ich hörte Candy im Bad rumoren, zuerst rauschte die Dusche, dann der Wasserhahn am Becken, dazwischen ein Prusten und Gurgeln und anschließend die helle Stimme:
«Ich habe mir eins von den Handtüchern aus dem Regal hier genommen, ist das okay?» Ich war nicht gewöhnt an Logiergäste und hatte versäumt, ihr Handtücher hinzulegen, aber die Tücher im Regal waren garantiert alle sauber.
«Ja, ist in Ordnung», rief ich zurück. Kurz darauf klappte die Badezimmertür, ich hörte ihre tapsigen Schritte in der Diele. Die Wohnzimmertür wurde geschlossen. Ein paar Minuten später hörte ich etwas klimpern und im Anschluss daran ein vernehmliches Schaben. Der Fußboden im Wohnzimmer war auch gefliest, nur unter der großen Couch und dem Tisch lag ein Teppich. Um Gottes willen, dachte ich, jetzt räumt sie mir auch noch das Wohnzimmer um.
«Was machst du da?», rief ich.
«Nichts», kam es hastig und etwas atemlos zurück.
«Mir war nur etwas unter die Couch gefallen, aber ich hab’s schon wieder.» Etwas. Ich nahm an, sie hätte ihr Kleingeld gezählt. Harmlos natürlich, völlig harmlos. Trotzdem hatte ich plötzlich Herzklopfen. Es war ein sonderbares Gefühl, nicht allein in meinem Reich zu sein. Natürlich hatte auch vorher hin und wieder eine Frau bei mir übernachtet. Doch da war ein Unterschied zwischen einer Frau
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