Ein süßer Sommer
Boden und verursachte einen leisen, von Stoff gedämpften, metallischen Ton auf dem gefliesten Boden. Zu kurz und zu fein, um sich Gedanken darüber zu machen. Candy streifte die Jacke ab, ließ sie hinterherfallen, beförderte Jacke und Tasche mit dem Fuß durch die Tür ins Wohnzimmer und lächelte mich an.
«Darf ich zuerst zur Toilette gehen?»
«Das Bad ist da vorne», sagte ich, brachte meine Reisetasche ins Schlafzimmer und schloss vorsichtshalber die Tür ab. Dann ging ich in die Küche. Jetzt war ich doch hungrig. Leider fand sich im Kühlschrank nichts von Bedeutung. Zwei Becher Joghurt, deren Haltbarkeitsdatum bereits überschritten war, ein angebrochenes Glas mit Essiggürkchen, eins mit Konfitüre, die Butterdose und ein Rest Toastbrot. Die Scheiben waren während meiner Abwesenheit zwar nicht verschimmelt, aber trocken geworden. Einkäufe machte meine Mutter schon lange nicht mehr für mich. Anfangs hatte sie es getan, aber wir hatten nicht den gleichen Geschmack. Für haltbare Nahrungsmittel in Dosen, die sie für praktisch hielt, konnte ich mich nicht begeistern. Ich hatte keine Lust, jetzt noch in irgendein Restaurant zu gehen, dann lieber mit knurrendem Magen ins Bett. Candy kam aus dem Bad zurück, sah mich vor dem Kühlschrank stehen und bot an:
«Wenn Sie auch Hunger haben, ich könnte uns etwas machen.» Noch bevor ich erklären konnte, dass jede Bemühung mangels Masse scheitern musste, holte sie ihren Rucksack, den ich gleich bei der Wohnungstür abgestellt hatte. Sie hob ihn nicht großartig vom Boden hoch, sondern zerrte ihn an einem Gurt hinter sich her in die Küche. Dort angekommen, ging sie in die Knie, löste erst mal die Riemen, mit denen der Schlafsack befestigt war, schlug die Lasche zurück und erkundigte sich:
«Mögen Sie Thunfisch? Dann mache ich uns einen Salat. Das geht ganz schnell.» Das Gewicht des Rucksacks erklärte sich aus einer Unmenge exakt der Lebensmittel, die ich nicht sonderlich schätzte. Konserven- und Getränkedosen, Cola, Bockwürstchen, Thunfisch, Maiskörner, gebackene Bohnen in Tomatensoße, Ravioli und weiß der Teufel, was sonst noch. Candy versicherte, das alles könne man sehr gut kalt essen. Natürlich hatte sie auch mehrere Pakete mit Knäckebrot, Käsescheibletten, kleine Gläser mit gekochter Mettwurst, etliche hart gekochte Eier, ein paar Schachteln mit Keksen und noch ein gutes Dutzend Äpfel dabei, letztere wegen der Vitamine. Ohne mich großartig um Rat oder sonst etwas zu fragen, öffnete sie wahllos Schranktüren, bis sie hinter einer fand, was sie suchte. Eine Schüssel und zwei Teller. Dann durchwühlte sie die Schubfächer. Und ich hatte das Gefühl, dass sie nicht nur Besitz von meiner Küche ergriff, sondern alles durcheinander brachte. Angenehm war mir das nicht. Ich hielt gar nichts von dem Spruch:
«Das Genie beherrscht das Chaos», lebte vielmehr nach dem Motto: «Ordnung ist das halbe Leben.»
«Sag mir einfach, was du brauchst», forderte ich.
«Einen Dosenöffner und ein Salatbesteck. Einen Öffner habe ich zwar selbst. Aber der ist ganz unten im Rucksack.» Ich gab ihr beides und ordnete den Inhalt des Schubfachs wieder. Sie machte keine großen Umstände, kippte Thunfisch und Maiskörner in die Schüssel, dazu kamen noch Zwiebelringe, die ich beisteuern konnte. Zwiebeln befanden sich in einem Holzkasten unter einem der Hängeschränke. Beim Schälen und Schneiden weinte sie ein paar Tränen, schniefte auch einmal und forderte mich auf, das trockene Toastbrot zu rösten, stark bitte, weil man es dann noch sehr gut essen könne. Das klang nach Sparsamkeit, in diesem Punkt hatte man sie anscheinend gut erzogen. Aber vielleicht gehörten abgetragene Schuhe, Massen von Reiseproviant und altes Toastbrot auch zum Lebensstil eines jungen Mädchens, das mir seine radikalen Ansichten zum Thema Umwelt und Gerechtigkeit bereits in aller Deutlichkeit klar gemacht hatte. Ein paar Minuten später saßen wir uns am Küchentisch gegenüber. Der Toast hatte die Konsistenz von Zwieback und krachte fürchterlich beim Kauen, aber ihr Salat schmeckte wider Erwarten und ganz ohne Dressing. Er sättigte auch rasch. Ich spendierte uns zum Abschluss noch zwei Cappuccino. Und sie häufte drei Löffel Zucker in ihre Tasse, um sich anschließend nach jedem Schluck den süßen Schaum von der Oberlippe zu lecken. Beim Essen hatte sie kaum noch gesprochen, auch danach war ihr anscheinend nicht mehr nach einer Unterhaltung. Ich nahm an, sie sei sich
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