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Ein süßer Sommer

Ein süßer Sommer

Titel: Ein süßer Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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zurückdrehen könnte, ich würde es tun. Und wahrscheinlich alle Fehler noch einmal machen, weil es keine andere Möglichkeit gäbe, die Wochen mit ihr noch einmal zu erleben.

4. Kapitel
    Aus heutiger Sicht ist das alles gar nicht so leicht zu schildern. Später ist man immer klüger. Man weiß genau, was man falsch gemacht hat, wann und womit man belogen wurde und in welchen Situationen man anders hätte reagieren müssen. Alle Fragen sind beantwortet, alle Rätsel gelöst, auch die, die man zuvor gar nicht als Rätsel wahrgenommen hat. Am letzten Samstag im Juni vor vierzehn Jahren gab es nicht mal ein Mysterium. Candy war nur ein junges Mädchen, mal unbeschwert, mal schwermütig, mit einem Hang zu Pathos, Übertreibung und Flunkereien und mit einem großen Herzen, das zum überwiegenden Teil ihrer Mutter gehörte. Vielleicht nicht mehr ganz angemessen für ihr Alter. Aber da sie ihren Worten zufolge in früher Kindheit beinahe ihre Mutter verloren hatte, hielt ich es für normal. Ich hatte eben nicht viel Erfahrung mit Frauen, mit jungen Mädchen schon gar nicht. Wir machten uns die Ravioli heiß. Nach dem Essen verzog ich mich ins Schlafzimmer, um mir wenigstens den Bericht meines Kollegen einmal durchzulesen. Candy versprach, die Küche aufzuräumen, vorher rasch ein frisches Brot und etwas Aufschnitt zu besorgen, noch war Zeit dafür. Danach würde sie sich schon beschäftigen. Ich schloss die Tür bis auf einen Spalt, hörte, wie sie die Wohnung verließ und nach etwa einer halben Stunde zurückkam. In der Zeit hatte ich zur Tarnung den Inhalt des Leitz-Ordners auf meinem Bett verteilt und bereits festgestellt, dass sich im letzten Bericht von Uli Hoger tatsächlich ein konkreter Verdacht abzeichnete. Die Buchhalterin der Firma Mader war in der vergangenen Woche zweimal mit einem Werksleiter von der Konkurrenz ausgegangen. Damit war meine Arbeit schon getan. Ich deponierte den Schnellhefter im Kleiderschrank und überlegte, ob ich Candy Gesellschaft leisten sollte. Aber mir war nicht nach einer weiteren Lobeshymne oder sonst etwas über
    «meine Mutter», die ganz bestimmt gekommen wäre. Sie hantierte in der Küche, das hörte ich, verstaute ihren Reiseproviant in meinen Schränken – was ich erst abends bemerkte. Da waren mein Kühlschrank und der Vorratsschrank zum Bersten gefüllt. Im Kühlschrank standen hauptsächlich Coladosen. Nachdem sie damit fertig war, stopfte sie ihren Schlafsack in den Rucksack, brachte diesen und die wieder mit dem Vorhängeschloss gesicherte Reisetasche ins Schlafzimmer, kam aber nur bis zur Tür und fragte:
    «Wenn ich das hier hinstelle, stört es nicht, oder?»
    «Nein», sagte ich. Danach wurde es still in meiner Wohnung. Ich döste eine Weile zwischen Frachtbriefen, Bestellungen, Rechnungen, Mahnungen und anderem Papier auf dem Bett vor mich hin. Als ich gegen vier einmal ins Bad ging, saß Candy am Küchentisch. Vor sich ein aufgeschlagenes kleines Buch und Dutzende loser Blätter von einem kleinformatigen Block, vielleicht auch aus einem Schulheft gerissen. In der rechten Hand hielt sie einen Stift, auf dem sie jedoch nur grüblerisch herumkaute. Ob sie zuvor vom Büchlein auf die lose Blattsammlung oder umgekehrt etwas abgeschrieben hatte, war nicht zu sehen. Sie schaute kurz auf, und als ich zurückkam, fragte sie, ob ich einen Kaffee trinken möchte. Noch bevor ich nicken konnte, war sie bereits aufgesprungen. Wenig später brachte sie mir eine Tasse ins Schlafzimmer, schaute sekundenlang auf die Papierflut, die sich über mein Bett verteilte.
    «Das sieht aber kompliziert aus», stellte sie fest.
    «Ist es auch», sagte ich.
    «Und wieso musst du das im Urlaub machen?»
    «Das ist ein neuer Kunde», sagte ich.
    «Ja, aber wäre es nicht einfacher, wenn du das im Büro tust?»
    «Nicht unbedingt», sagte ich.
    «Ehe ich das alles buchen kann, muss ich es erst einmal sortieren.» Das leuchtete ihr ein.
    «Ach so», meinte sie und ging wieder. Ich trank den Kaffee, lauschte dabei zur Küche hinüber. Und plötzlich tat sie mir wieder Leid, vermutlich langweilte sie sich zu Tode. Ich fand es äußerst unfair von mir, sie sich selbst zu überlassen, nur weil mir das Wesen im Blümchenkleid nicht ganz geheuer gewesen war. Also packte ich das ganze Papier wieder in den Ordner und diesen zum Schnellhefter in den Kleiderschrank, dann ging ich bis zur Küchentür. Wie vorhin saß Candy vor ihrem Papier am Tisch. Von Langeweile gequält sah sie nicht aus, nur ratlos und

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