Ein süßer Sommer
sich in die Tiefen des Systems hinunter, wo zu experimentieren sie sich bisher wohl nicht getraut hatte. Im Falle eines gravierenden Fehlers hätte sie den schwarzen Peter gehabt, nun konnte sie den in meine Schuhe schieben. Am frühen Nachmittag stürzte im Büro nebenan die Kalkulation ab. Kurz darauf ging in der Buchhaltung gar nichts mehr. Der Geschäftsführer stürzte herein und wollte wissen, was in drei Teufels Namen ich triebe. Frau Mader beruhigte ihn:
«Keine Sorge, Herr Grippekoven. Das bekommt Herr Schröder alles wieder in den Griff. Es sind Viren, wie ich mir gedacht habe. Aber wir merzen sie aus und stellen auch fest, wer dafür verantwortlich ist.» Sie war sehr zuversichtlich, dass wir mit vereinten Kräften Herrn Bastich das Handwerk legen könnten, als wir uns kurz nach sechs voneinander verabschiedeten. Ich fuhr noch zur Agentur, um das Auto zu tauschen und Hamacher zu erklären, für diesen Einsatz sei ich nicht der richtige Mann. Mir graute vor einem weiteren Tag mit Frau Mader – und noch mehr davor, dass Candy auf eigene Faust recherchierte und ich überflüssig wurde. Aber Hamacher war nicht da, und Frau Grubert wollte nicht einsehen, dass die Firma Mader einen Fachmann brauchte. Wir waren doch an Computern geschult. Wie Frau Mader meinte sie, ich bekäme das bestimmt in den Griff, und erbot sich, mir bis zum nächsten Morgen ausreichend Fachlektüre zu beschaffen. Um halb acht war ich endlich zu Hause und Candy natürlich noch da. Sie saß im Wohnzimmer auf der kleinen Couch und hörte Musik mit geschlossenen Augen. Rondo Veneziano, so laut, dass ihre Trommelfelle vibrieren mussten. Gott sei Dank hatte sie sich den Kopfhörer aufgesetzt, um nicht die Nachbarschaft rebellisch zu machen. Ich stand eine ganze Weile bei der Tür, rundum zufrieden mit mir und der Welt, beobachtete ihr friedlich entspanntes Gesicht und das Spiel ihrer Finger auf der Armlehne, ehe sie mich bemerkte. Sie riss sich den Kopfhörer herunter und sprang auf.
«Da bist du ja wieder, Mike. Musst du immer so lange arbeiten?» Meine Antwort wartete sie gar nicht ab.
«Hoffentlich bezahlt dir dein Chef all die Überstunden. Ich dachte, du hättest um fünf Feierabend, und habe alles vorbereitet. Zum Glück habe ich noch nicht angefangen zu kochen.»
«Wir hatten ein Problem mit dem Computer», sagte ich.
«Das fing schon heute Morgen an. Ich wollte dir Bescheid sagen, aber du warst wohl unterwegs.»
«Ach, du hast ständig angerufen? Nein, ich war hier, Mike, ich bin nur nicht rangegangen. Ich wusste ja nicht, ob dir das recht ist.» Dass sie eine Weile telefoniert hatte, erwähnte sie nicht, erkundigte sich nach einer winzigen Pause nur:
«Dann hattest du bestimmt keine Zeit, bei einem Finanzamt anzurufen, oder?»
«Nein», sagte ich und fühlte die Erleichterung von den Zehenspitzen bis unter die Haarwurzeln. Wenn sie die Auskunft von einem Finanzbeamten mit Herz noch brauchte, konnte sie selbst nichts unternommen haben.
«Vielleicht klappt es morgen.» Da alles vorbereitet war, brachte sie in kürzester Zeit eine köstliche Mahlzeit auf den Tisch. Frische Scholle nach Sylter Art für mich, dazu gab es Salzkartoffeln und Salat, womit sie sich begnügte. Danach der Abwasch.
«Das mache ich alleine, Mike, nimm ein Bad und ruh dich aus, du hattest bestimmt einen anstrengenden Tag.» Als ich aus dem Bad zurückkam, war die Küche aufgeräumt. Eine Stunde Zärtlichkeit auf der Couch. Sie bemühte sich mit anfangs noch ungeschickten Händen und vorsichtigen Lippen, einen Teil davon zurückzugeben. Vor dem Einschlafen – sie auf der Couch, ich im Bett – dachte ich, dass ich sie am nächsten Tag seit genau einer Woche kannte. Mir kam es entschieden länger vor. Der Freitag wurde hektisch, obwohl ich entschieden ruhiger war. Am frühen Morgen bekam ich von Frau Grubert einen Stapel Fachlektüre ausgehändigt, bat anschließend Herrn Grippekoven, mir die Seniorchefin vom Leib zu halten, damit ich wirklich etwas tun konnte. Ich war immer noch nicht überzeugt, die Probleme lösen zu können. Aber mit Hilfe der Bücher schaffte ich doch einiges. Bis zum Mittag hatte ich zwei Betriebsprogramme bereinigt und drei weitere entdeckt, die befallen waren. Bei einem Imbiss in der Kantine lernte ich Herrn Bastich, Fräulein Gudrun und Frau Möller aus der Buchhaltung kennen, die mein Kollege Uli Hoger im Visier hatte, weil sie Kontakt zur Konkurrenz pflegte. Fräulein Gudrun erinnerte mich irgendwie an Helga, obwohl sie ein ganz
Weitere Kostenlose Bücher