Ein süßer Sommer
Mike? Ich meine, wirklich für immer?» Ja, das konnte ich mir sehr gut vorstellen.
«Ich auch», sagte sie und kam zurück zu Gerswein.
«Weißt du, was ich mich immerzu fragen musste?» Da ich es nicht wissen konnte, erklärte sie es.
«Was meine Mutter an diesem Kerl gefunden hat. Vielleicht war er damals noch nicht gar so schlimm, aber jetzt ist er widerlich. So oberflächlich und von sich eingenommen, wenn das wehtäte, müsste er den ganzen Tag brüllen.» Aus ihrer Abneigung machte sie wahrhaftig keinen Hehl. Arrogant sei er gewesen. Das hatte sie in der Nacht bereits gesagt, jetzt kam noch einiges dazu. Ein Angeber, der sich eine Menge auf seine Ausstrahlung und seinen Charme einbilde. Zugegeben, er sah gut aus für sein Alter. Und er protzte mit seiner Position, ohne sie näher zu erläutern. Er habe sich aufgeführt, als hinge der Weltfriede allein von ihm ab. So wie sie es schilderte, hatte sie ihre Mutter nicht erwähnen können, nur einmal vorgetastet, ob er – wie viele Politiker es hin und wieder täten – auch mal Waisenhäuser oder Sterbenskranke in Kliniken besuche. Nein, tat er nicht. Dafür fehlte ihm bei all der auf seinen Schultern lastenden Verantwortung für die Welt einfach die Zeit, es fiel auch nicht in seinen Aufgabenbereich. Sie lachte einmal rau, biss ein Stückchen von ihrem Brot ab, kaute bedächtig, schluckte, trank noch etwas Kaffee hinterher und sprach weiter.
«Soll ich dir sagen, was passiert, wenn ich meine Mutter erwähne? Dann habe ich ihn zum letzten Mal gesehen. Du hattest vollkommen Recht, Mike. Er hat öfter auf meinen Busen geschaut als auf seinen Teller. Manchmal dachte ich, die Kellner müssen ihn ja für blind halten, wie er da herumstochert.» Ein bitteres Lächeln, ein langer Seufzer.
«Aber jetzt mach dir um Gottes willen keine Sorgen deswegen, Mike. Bedenk mal, wie alt der Kerl ist. Er könnte ja mein Vater sein. Ich halte ihn mir schon vom Leib. Ein bisschen anheizen ist erlaubt, oder? Vielleicht bringe ich ihn eher nach Hamburg, wenn ich ihm das Gefühl gebe, dass er bei mir landen kann. Ich habe ihm deine Telefonnummer gegeben, du hast hoffentlich nichts dagegen. Ich darf ihn nicht nochmal in seinem Ministerium anrufen. Er will sich bei mir melden und meinen Artikel für die Schülerzeitschrift lesen, bevor der gedruckt wird. Und er könnte mich ja sonst nicht erreichen. Aber er wird dich nicht belästigen, Mike. Du bist ja tagsüber im Büro. Ich glaube nicht, dass er abends anruft.» Den Rest des Sonntags hörte ich von ihr kein Wort mehr über Gerswein, auch keins über ihre Mutter. Vormittags standen wir zusammen in der Küche, ich kochte, Candy ging mir zur Hand und plante dabei unsere gemeinsame Zukunft.
«Wenn ich zum Wintersemester einen Studienplatz in Hamburg bekomme, werde ich zu Hause ausziehen und mir ein Zimmer nehmen, Mike. Dann kannst du mich am Wochenende besuchen. Du kommst freitags, mit dem Wagen kannst du das in vier bis fünf Stunden schaffen. Wenn du um sechs hier losfährst, bist du um zehn oder elf schon bei mir. Wir können uns auch abwechseln. Ich kann ja vielleicht schon mittags in den Zug steigen, dann bin ich hier, wenn du von der Arbeit kommst. Wäre das nicht schön? Und in den Semesterferien sind wir die ganze Zeit zusammen. Vielleicht können wir mal gemeinsam in den Urlaub fahren. Was meinst du?» Sie war mit den Gedanken bereits im nächsten Jahr, bekam einen so intensiven Glanz in die Augen, dass wir uns den Spaziergang nach dem Essen schenkten.
«Bleiben wir lieber zu Hause, Mike.» Und wie sie das sagte, zu Hause, klang es so selbstverständlich und ein bisschen nach Ewigkeit. Ein Sessel im Wohnzimmer wurde zum Himmelbett. Während sie mit geschlossenen Augen auf meinem Schoß saß, uns beiden mit bedächtigen Bewegungen den Rhythmus aufzwang, erzählte sie mir von später. In fünf oder zehn Jahren, wenn wir verheiratet wären, Kinder hätten und ein Häuschen im Grünen.
«So ein Haus auf dem Land wäre doch schön, oder, Mike? Es wird dir bestimmt gefallen, und mit Kindern muss man auf dem Land leben. Du kannst ja weiter in Köln arbeiten. Oder du machst dich selbständig, dann bekommst du ein Büro im eigenen Haus und bist immer in der Nähe. Für Kinder ist das wichtig, dass sie jederzeit zu ihrem Vater gehen können. Und ich werde auch immer für sie da sein. Ich werde erst wieder arbeiten, wenn sie zur Schule gehen. Wir werden nichts falsch machen, Mike.» Dann lachte sie leise, so ein tiefes, kehliges
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