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Ein süßer Sommer

Ein süßer Sommer

Titel: Ein süßer Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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gezwungenermaßen, wies Tamara auch darauf hin, dass jedes der später auftauchenden Löwenköpfchen Leo hieße, jede Erdkugel für Erika stand – Herr Erdmann hätte zwar auch gemeint sein können, doch das erschien mir nicht mehr sehr wahrscheinlich.
    «Jedes Herzchen bedeutet Holger», sagte ich.
    «Die Namen wirst du eingeben müssen. Der Computer kann die Zeichnungen ja nicht übersetzen.» Tamara schüttelte bedauernd den Kopf.
    «Wenn ich nicht vorher mal die Namen lese, kann ich sie nicht schreiben, Michael. Der Löwe könnte ja auch heißen, es ist ein gefährlicher Mann. Aber die Namen sind bestimmt vorher einmal richtig geschrieben worden. Wenn man einen Menschen kennen lernt und ihn in einem Tagebuch erwähnt, nennt man seinen Namen.»
    «Nein», widersprach ich.
    «Es gibt in dem ganzen Buch keine Namen, nur Anfangsbuchstaben und diese Zeichnungen. Und die stehen für Leo Scherer, Erika Jungblut und Holger Gerswein, glaub mir. G heißt Gertrud, M ist Margarete. Bei den anderen kannst du dir Namen aussuchen, die sind nicht so wichtig.» Tamara schüttelte bedauernd den Kopf.
    «Das kann ich nicht machen, Michael. Der Chef nagelt mich an die Wand, wenn er dahinterkommt, dass ich herumpfusche.» Aber sie tat es dann doch, wahrscheinlich aus Mitleid. Es geht eben nichts über verständnisvolle und mitfühlende Kolleginnen und Kollegen, die einem helfen, eine ohnehin verworrene Geschichte noch mehr zu verwirren. Wie lange Tamara brauchte, um die hundertzwanzig Fotos voll unsinniger Buchstabenkombinationen abzutippen, weiß ich nicht. Aber sehr lange wird sie wohl nicht gebraucht haben. Sie tippte blind, Augen auf dem Text, Finger auf den Tasten, was ich nicht konnte. Alle in der Firma wussten Bescheid, dass diesmal ein Kollege involviert und mit Vorsicht zu genießen war. Das tat nur niemand. Ich tat, was Hamacher verlangt hatte, meine Arbeit. Hartmut Bender tat seine. Als Candy an dem Mittwochnachmittag meine Wohnung verließ, um sich erneut mit Gerswein zu treffen, diesmal in Jeans und T-Shirt, folgte Hartmut ihr. Jedes Wort hörte er nicht nur mit, er zeichnete auch alles auf, was sie sagte und was Gerswein so von sich gab. Ich saß währenddessen bis um drei Uhr nachts vor der Wohnung einer traurigen Witwe, die früh zu Bett ging und vorher noch telefonierte. Nicht mit dem teuren Verblichenen, wie es unseren Auftraggebern lieb gewesen wäre, sie erzählte ihrer Mutter, wie furchtbar das alles sei. Diese misstrauische Versicherung und nicht mal ein Grab, an dem man weinen könnte. Sie brauchte dringend eine Erholung von dem Elend und spielte mit dem Gedanken an eine kurze Reise. Das zeichnete ich auf. Ein Mitarbeiter der Versicherung hatte es übernommen, beim letzten Besuch in ihrer Wohnung ein paar Abhörgeräte zu platzieren. Candy war natürlich längst von ihrem Rendezvous zurück, als ich nach Hause kam. Die Weltkugel lag auf meinem Nachttisch und sie in meinem Bett. Seit Sonntag hatte sie nicht mehr auf der kleinen Couch im Wohnzimmer geschlafen. Über die erneute Begegnung mit Gerswein wollte sie in der Nacht nicht mehr sprechen. Da erfuhr ich nur:
    «Der Kerl ist ein Arschloch.» Dann wollte sie wissen, wo ich so lange gewesen wäre. Ich erfand einen Kneipentresen, an dem ich mit zwei Freunden leider die Zeit vergessen hätte. Und sie verlangte, dass ich sie festhielt. Beim Frühstück – nur drei Stunden später – betonte sie erneut Gersweins Arroganz, machte ihre Antipathie für ihn deutlich und behauptete, sie sei schon um neun Uhr zurück gewesen.
    «Und was habt ihr bis um neun gemacht?», fragte ich.
    «Hast du ihm endlich von deiner Mutter erzählen können?» Sie gab einen verächtlichen Laut von sich. Wo sie gewesen war, erwähnte sie nicht, sagte nur:
    «Ja, aber als ich das Thema anschnitt, lenkte er sofort ab. Er macht eben keine Besuche in Krankenhäusern.» Ich hätte anschließend von Hartmut Bender gerne mehr über den Ablauf des Abends erfahren. Doch als ich – wie sich das für einen Steuerberater auch nach einer zur Hälfte durchzechten Nacht gehörte – an dem Donnerstagmorgen aus dem Haus trat, hielt ich vergebens Ausschau nach einem Fahrzeug der Agentur. Entweder war Hartmut noch nicht auf seinem Posten, weil es auch für ihn eine lange Nacht gewesen war. Oder – er war eben ein Profi, wenn er nicht gesehen werden wollte, sah man ihn nicht. In der Agentur saß ich nur untätig herum, spielte eine Weile an unserem Gemeinschaftscomputer, fand jedoch nichts, was mir

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