Ein süßer Sommer
späten Nachmittag in Hamburg eingetroffen sein. Rasch das Köfferchen ins Hotel gebracht, sofort auf nach Blankenese, erst mal ein Blick aufs Türschild geworfen. Und wenn da der Name Schmitting stand, hatte Philipp es garantiert gestern Abend noch mitgeteilt. Andererseits, was bewies der Name auf einem Türschild? Gar nichts. Candys Ausweis konnte eine Fälschung sein. Wenn man von einer politisch motivierten Person ausging, wie Hamacher es offenbar tat, wäre sie vermutlich nicht allein aktiv und entsprechend vorbereitet gewesen. Wenn solche Gedanken sich erst einmal verselbständigen, ist man ziemlich damit beschäftigt. War Candy gar nicht zufällig in meinem Zugabteil aufgetaucht? Hatte eine Gruppe politischer Wirrköpfe herausgefunden, dass Gerswein in Kontakt zur Agentur Hamacher stand, und mich als schwächstes Glied der Kette herausgefiltert? Hatte ich schon in München unter Beobachtung gestanden? Blödsinn, dachte ich immer wieder. Terroristen heulen sich am Telefon nicht die Augen aus dem Kopf, wenn sie Mami beschwindelt haben. Trotzdem hatte ich auf der Heimfahrt unentwegt die Stimme der alten Frau Scherer im Kopf:
«Das junge Ding hatte doch keine Ahnung.» Als ich daheim ankam, überprüfte ich zuerst wieder das an meine Telefonleitung geklemmte Band. Candy hatte im Laufe des Tages telefoniert. Nicht mit Gerswein, auch nicht mit politischen Wirrköpfen. Ein Anruf bei Mami. Candy behauptete, in Spanien zu sein. Und im Hintergrund lief dazu passend dezente Musik aus meiner Stereoanlage. Mami hatte eine angenehm dunkle Stimme. Für eine Todkranke sprach sie ruhig, fest und mit unterschwelligem Vorwurf, weil ihr Schatz sich nicht häufiger daheim meldete. Candy war nicht in der Wohnung, kam jedoch kurz darauf, bepackt mit zwei Einkaufstüten. Die Tüten trugen die
Aufschriften von Kaufhäusern aus der Innenstadt. Aber die Preisetiketten der Lebensmittel stammten aus dem Supermarkt nahe dem Wiener Platz. Und für solch ein Täuschungsmanöver konnte es nur einen Grund geben, dachte ich im ersten Moment. Sie hatte sich erneut mit Gerswein getroffen. Um sich zu verabreden, mussten sie nicht unbedingt mein Telefon benutzen. Das konnten sie auch am Mittwochabend getan haben. Dann sah ich, wie sie die Tüten zusammenfaltete und in ein Schubfach legte. Umweltschutz. Wir kochten uns etwas, aßen, räumten die Küche auf, gingen ins Wohnzimmer, setzten uns auf die Couch. Sie plapperte unermüdlich über Belanglosigkeiten, registrierte auch ein paar Mal meine Einsilbigkeit.
«Du bist so still, Mike. Hattest du Ärger im Büro?»
«Nein», sagte ich.
«Ich liebe dich.»
«Ich dich auch, Mike.»
«Wann siehst du Gerswein wieder?»
«Ich weiß es nicht, er will anrufen, wenn er Zeit hat.»
«Warum gibst du deinen Plan nicht auf?», fragte ich.
«Er wird nie mit dir nach Hamburg fahren.» Sie lächelte – zuversichtlich oder überheblich, das hätte ich nicht sagen können.
«Er wird, Mike, jetzt erst recht, verlass dich darauf. Ob er will oder nicht, ich bringe ihn zu meiner Mutter.» Das höre ich heute noch. Die Überzeugung in ihrer Stimme. An jenem Freitagabend damals war ich nicht halb so überzeugt wie sie. Aber sie hat es geschafft – kurz bevor sie starb. Wie wir das Wochenende verbracht haben, weiß ich nicht mehr. Irgendwie eben. Aber ich weiß noch, wie erleichtert ich war, als am Montagmorgen mein Wecker klingelte. Sie stand mit mir auf und machte Frühstück, wie sie es die ganze Zeit schon tat. Um halb acht verließ ich die Wohnung. Als ich aus dem Haus trat, war Hartmut Bender auf seinem Posten. Ich bemerkte ihn nur, weil er mir zuwinkte. Er saß in einem Auto, das ich noch nicht kannte. Unsere Fahrzeuge wurden häufig gewechselt. Natürlich ging ich hin. Dass Candy mich von einem Fenster aus beobachtete, war auszuschließen. Meine Wohnung lag zur anderen Seite. Hartmut sah übernächtigt aus, er gähnte ungeniert, als er die Scheibe herunterkurbelte.
«Hast du das ganze Wochenende hier gesessen?», fragte ich. Er schüttelte den Kopf.
«Ich bin gerade erst gekommen, hab die halbe Nacht das Kinderzimmer tapeziert.»
«Mit Hamachers Erlaubnis?»
«Klar», sagte Hartmut.
«Für so ein Persönchen brauchen wir doch nicht zwei Männer. Ich komme nur, wenn du gehst.» Er sah es offenbar locker, gab auch bereitwillig Antwort auf weitere Fragen – wahrscheinlich ebenfalls mit Hamachers Einverständnis.
«Wo war sie letzten Mittwoch mit Gerswein?», fragte ich.
«In seinem
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