Ein süßer Sommer
aufhören.
«Das ist völlig ausgeschlossen», hörte ich mich sagen,«absolut unmöglich. Das klingt nach einem Verhältnis, genau genommen ist es auch eines. Aber sie schläft nicht mit Gerswein, das ist völlig ausgeschlossen. Das darf sie gar nicht. Wahrscheinlich geht es um Unterhaltsansprüche oder eine Erbschaftsangelegenheit. Uneheliche Kinder sind doch inzwischen erbberechtigt. Und eine Woche in der Karibik, das könnte eine Entschädigung für entgangene Vaterliebe sein. Gerswein ist nämlich ihr Vater.» Hamacher starrte mich an, den Mund ein wenig geöffnet vor Fassungslosigkeit.
«Was hat dich denn auf die Idee gebracht? Behauptet sie das?»
«Nein», sagte ich.
«Das Tagebuch, haben Sie es nicht gelesen? Na, im Ausdruck steht das ja auch nicht, es fehlen noch ungefähr dreißig Seiten.» Nun schüttelte Hamacher den Kopf, und ich rechnete ihm vor. Ende Juni , Ankunft in Philadelphia im August, Geburt im April auf hoher See. Und Dad wollte nicht, dass Candy als Geburtsort irgendeinen Längen- und Breitengrad angeben musste, also datierte er auf den . Mai. Aber als Helga an Bord fotografiert worden war, musste Candy schon auf der Welt gewesen sein. Meinem Rechenkunststück hatte Hamacher überhaupt keine Beachtung geschenkt. Seine gesamte Aufmerksamkeit blieb an dem Namen hängen. Als ich schwieg, erkundigte er sich mit gerunzelter Stirn:
«Wer ist Helga?»
«Helga Schmitting», erklärte ich gereizt,«Candys Mutter. Die Kranke auf dem Foto.»
«Moment mal», sagte Hamacher, hob eine Hand und fasste sich mit der anderen an die Stirn.
«Liebes heißt Helen Schmitting, und so krank ist sie gar nicht. Sie ist schwanger, eine Risikoschwangerschaft, wegen ihres Alters vielleicht, ich weiß es nicht. Als wir im Hotel Bescheid gaben, der Auftrag sei erledigt, war Philipp noch unterwegs. Er ist den beiden Frauen in eine Klinik gefolgt und hat ihre Unterhaltung gehört. Als er das durchgab, wollte ich dich schon aus Frankfurt zurückpfeifen und um einen Kopf kürzer machen. Aber du warst noch nicht eingetroffen, und dann dachte ich mir …» Was er gedacht hatte, erfuhr ich nicht, wollte es auch gar nicht wissen. Sollte er mich doch feuern, weil ich ihn belogen hatte. Dass ich belogen worden war, nach Strich und Faden, und vermutlich auch noch betrogen, in meiner eigenen Wohnung, das war mehr, als ich auf Anhieb verkraften konnte.
«Wie geht es Helen?», fragte Candy in meinen Gedanken. Ich sah sie in Hamachers Büro den sündhaft kurzen Kostümrock noch ein Stück höher ziehen, hörte sie sagen:
«Ich würde alles tun.» Ich sah mich im Schlafzimmer ihr Handtäschchen durchwühlen und die Schachtel mit dem Verhütungsmittel herausziehen. Das musste sie sich doch schon vorher beschafft und auch sofort mit der Einnahme begonnen haben. Um von wem nicht schwanger zu werden? Dass sie im Zug einen dusseligen Steuerberater treffen würde, der bereit war, sie bei sich aufzunehmen, hatte sie doch nicht vorhersehen können. In meinem Hinterkopf erzählte die alte Frau Scherer mir etwas von dem jungen Ding, das keine Ahnung, aber behauptet hatte, Helgas Nichte zu sein. Und Hamacher sprach über die Sorte Mann, die nicht älter wurde und nur mit einem Finger schnipsen musste, um junge Mädchen ins Bett zu bekommen. Und dass es nicht unsere Sache sei, Moralapostel zu spielen. Wenn der Herr Ministerialrat genau wissen wollte, mit wem er sich vergnügte, wenn er dafür gut zahlte, hatten wir für ihn zu arbeiten, verurteilen durften wir ihn nicht. Wir hatten nur zu verhindern, dass er noch einmal schlechte Erfahrungen machte. Dann sprach Philipp Assmann auch noch über ein Mädchen, mit dem Gerswein sich eine Weile beschäftigen wollte.
«Der wird mit siebzig noch auf die Jagd gehen, um sich zu beweisen, was für ein toller Hecht er ist. Im Grunde kann man solche Kerle nur bedauern. Er ist ja nicht der Einzige, der sich einbildet, es läge an seiner Ausstrahlung. Dabei ist so ein junges Ding nur beeindruckt von seiner Armbanduhr, seiner Brieftasche oder seiner Karriere. Aus lauter Verliebtheit steigt garantiert keine Zwanzigjährige mit einem alten Sack ins Bett. Das ist Berechnung, weiter nichts.» Ja, natürlich, es war immer Berechnung gewesen. Ich hatte Helga im Blümchenkleid vor Augen und Candys Tränen, und sie im Blümchenkleid. Und wie sie aus dem Bad kam mit dem Kleid über dem Arm und nichts weiter als diesem weißen Fetzen auf dem Leib. Reizwäsche. Ich dachte, dass ich den Verstand verliere. Wenn dieser
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