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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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Männer waren. Und sie stanken. Es war sehr laut, und sie merkte nicht sofort, dass die Reden begonnen hatten. Da oben waren Johnny und Geoffrey, dessen sauberes, aufgeräumtes Gesicht sie so gut kannte. Aber er hatte Haare wie ein Wikinger und stand breitbeinig da, und seine rechte Hand fuhr in die Luft, als würde er nach etwas stechen, und er lächelte spöttisch und zustimmend über das, was Johnny sagte – Variationen dessen, was sie schon so oft gehört hatte: amerikanischer Imperialismus … zustimmendes Gebrüll; der industriell-militärische Komplex – Stöhnen und Buhs; Lakaien, Schakale, kapitalistische Abenteurer, Ausverkauf, Faschisten. Es war kaum zu hören, denn das Beifallsgebrüll war so laut. Und da war James, der ein Cockney geworden war, ganz Mann der Öffentlichkeit, groß und umgänglich, und neben Johnny stand ein Schwarzer, den sie kannte, da war sie sicher. Eine Menge Leute da oben auf dem Podium. Alle Gesichter waren lebendig und begeistert in ihrer Einbildung und Selbstgerechtigkeit und in ihrem Triumph. Wie gut sie das alles kannte, wie es sie ängstigte. Unter starken Scheinwerfern stolzierten sie da oben herum und sonderten ihre Phrasen ab, die sie vorhersehen konnte, bevor sie kamen, jede einzelne. Und das Publikum war eine Einheit, es war ein Ganzes, es war ein Mob, es konnte töten oder randalieren, und es brannte vor – Hass, ja, das war es. Aber wenn man die dummen Klischees beiseiteließ, war sie ihrer Meinung, sie stand auf ihrer Seite; wie konnte sie nur, wo sie doch so ekelhaft waren, so furchtbar; und doch war es die Gewalt des Krieges, die sie am meisten hasste. Es fiel ihr schwer, sich aufrecht zu halten – sie stand an eine Wand gelehnt und war von Krakeelern umgeben, und es fehlte nur noch, dass sie Knüppel trugen. Sie warf einen langen letzten Blick auf das Podium und sah, dass ihr Sohn sie bemerkt hatte und dass sein Blick sowohl triumphierend als auch feindselig war. Wenn sie nicht ging, machte er sie vielleicht zum Ziel für seinen Sarkasmus. Durch die Menge bahnte sie sich einen Weg zurück zur Tür. Glücklicherweise war sie nicht weit davon entfernt. Jemand hatte ihren Hut verschoben, wahrscheinlich mit Absicht, dachte Julia. Sie hatte recht. Das Gemurmel, dass sie eine CIA -Spionin sei, verfolgte sie. Sie versuchte ihren Hut aufzubehalten, und an der Tür sah sie eine füllige junge Frau mit einem großen Gesicht, das vor Aufregung und vom Alkohol gerötet war. Sie trug ein Ordner-Abzeichen. Als sie Julia erkannte, sagte sie laut, damit ihre Kollegen es hörten: »Sieh mal einer an! Das ist Johnny Lennox’ Ma.« »Lassen Sie mich vorbei«, sagte Julia, die allmählich in Panik geriet. »Lassen Sie mich hinaus.«
    »Was denn, halten Sie’s nicht aus? Können Sie die Wahrheit nicht ertragen?«, höhnte ein junger Mann, von dessen Geruch ihr buchstäblich schlecht wurde. Sie hielt sich die Hand vor den Mund.
    »Julia, weiß Johnny, dass Sie hier sind? Was machen Sie denn? Nachforschungen über ihn anstellen?« Rose schaute sich grinsend und Beifall heischend um.
    Julia war durch die Tür gedrungen, aber der äußere Raum war voller Menschen, die nicht in den Saal gelangt waren.
    »Macht Platz für Johnny Lennox’ Ma!«, schrie Rose, und die Menge teilte sich. Hier draußen, wo die Reden übertragen wurden, herrschte nicht mehr so sehr die Atmosphäre eines Mobs, kurz vor dem Aufstand. Junge Leute starrten Julia an, ihren Hut, der schief saß, ihr erschüttertes Gesicht. Sie gelangte zur äußeren Tür. Dort wurde ihr schwindlig, und sie klammerte sich am Türrahmen fest.
    Rose sagte: »Julia, wollen Sie ein Taxi?«
    »Ich wüsste nicht, dass ich Sie gebeten hätte, mich Julia zu nennen«, sagte die alte Frau.
    »Oh, tut mir sehr leid, Mrs. Lennox.« Wieder sah Rose sich Beifall heischend um. Dann lachte sie: »So eine
Scheiße

    »Das Ancien Régime, nehme ich an«, sagte eine amerikanische Stimme.
    Julia war an der Gehsteigkante angekommen. Gleich würde sie in Ohnmacht fallen. Rose stand hinter ihr auf der Treppe und sagte laut: »Johnny Lennox’ Ma. Sie ist betrunken.«
    Ein Taxi kam, und Julia winkte, aber es wollte für diese zwielichtige alte Frau nicht halten. Erst als Rose ihm schreiend nachrannte, blieb es stehen.
    »Danke«, sagte Julia und stieg ein. Sie hielt sich immer noch ein Taschentuch vor das Gesicht.
    »Oh bitte, gern geschehen«, sagte Rose kokett und sah sich um, ob jemand lachte, und es wurde gelacht. Als das Taxi anfuhr, hörte

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