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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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und eine gewisse bebende Selbstbeherrschung am Rande des Zusammenbruchs – all das waren Zeichen einer drohenden emotionalen Auflösung, aber wenn ein Erwachsener aussah wie Andrew, dachte man zwangsläufig: Das Leben ist so hart, es ist grausam … Andrew lächelte, er war äußerst charmant wie immer, er war gut genug gekleidet für einen größeren Anlass, und dennoch strahlte er Besorgnis aus. Seine Mutter hatte sich vorgenommen, nicht danach zu fragen, aber Julia sagte: »Wir können es kaum noch erwarten. Was hast du denn für Neuigkeiten?«
    Andrew gestattete sich, kurz zu kichern – ein entzückender Laut –, und sagte: »Macht euch auf eine Überraschung gefasst.«
    Daraufhin kam aus der Küche nebenan eine junge Frau und brachte ein Tablett mit Getränken. Sie lächelte ungezwungen und sagte zu Andrew: »Andy, wir sind ein bisschen knapp mit dem Alkohol. Das ist der letzte gute Sherry.«
    »Das ist Rosemary«, sagte Andrew. »Sie kocht heute Abend für uns.«
    »Ich verdiene mein Geld mit Kochen«, sagte Rosemary.
    »Sie ist an der London University und studiert Jura.«
    Sie machte einen spöttischen Knicks. »Sag Bescheid, wenn ich die Suppe auftragen soll.«
    »Es geht nicht um meinen Job«, sagte Andrew. »Da warte ich noch auf die Bestätigung.« Jetzt zögerte er: Etwas, das noch ein körperloses oder düsteres Phantom war, sollte Wirklichkeit werden – wenn man es der Familie sagt, ist es Wirklichkeit, also gut. »Es geht um Sophie«, sagte er schließlich. »Sophie und ich … Wir …«
    Die Frauen schwiegen verblüfft. Sophie und Andrew! Jahrelang hatte Frances sich gefragt, ob Colin und Sophie … Sie gingen zusammen spazieren, er besuchte immer ihre Premieren, und sie kam und weinte sich an seiner Schulter aus, wenn Roland wieder einmal unmöglich war. Freunde. Geschwister. Das sagten sie.
    Den beiden Frauen gingen die gleichen praktischen Erwägungen durch den Kopf. Andrew ging zum Arbeiten ins Ausland, wahrscheinlich nach New York, und Sophie wurde als Schauspielerin in London zunehmend geschätzt. Hatte sie vor, ihre Karriere für seine aufzugeben? Frauen taten das: zu oft, auch wenn sie eigentlich nicht sollten. Und beide dachten, dass Sophie unpassend war als Gattin eines Mannes, der in der Öffentlichkeit stand, weil sie so emotional und dramatisch war.
    »Besten Dank«, sagte Andrew schließlich.
    »Entschuldige«, sagte seine Mutter. »Es ist nur die Überraschung.«
    Julia dachte an die Jahre, in denen sie von ihrer Liebe, von Philip, getrennt gewesen war und auf ihn gewartet hatte. War es das wert gewesen? Dieser aufwieglerische kleine Gedanke trat immer öfter zutage, offen und ehrlich, und sie schob ihn nicht weg. Tatsache war – und Julia war jetzt bereit, so zu denken –, dass Philip dieses englische Mädchen hätte heiraten sollen, das so gut zu ihm gepasst hatte, und sie – aber in Gedanken geriet sie in Panik, wenn sie darüber nachdachte, was sie stattdessen hätte tun können, wo Deutschland doch in Ruinen lag, diese Katastrophe, und dann die Politik, und dann der Zweite Weltkrieg. Nein. Ihre Schlussfolgerung war, und das schon seit geraumer Zeit, dass es richtig gewesen war, Philip zu heiraten, dass er sie aber nicht hätte heiraten sollen.
    Schließlich sagte sie: »Du musst verstehen, dass es ein Schock ist. Sie steht Colin so nahe.«
    »Ich weiß. Aber sie sind wie Bruder und Schwester. Sie haben nie …« Andrew unterbrach sich und rief: »Rosie, wir hätten gerne den Champagner.« Er sah seine Mutter und seine Großmutter nicht an, als er fortfuhr: »Ich glaube, wir fangen lieber an – sie kommt zu spät.«
    »Vielleicht wird sie aufgehalten – im Theater – irgendwo …«, sagte Frances und suchte nach Worten, um die Qual wegzuwischen – denn es war Qual –, die Gewalt über das Gesicht ihres Sohnes hatte.
    »Nein. Es ist Roland. Wenn er sie hat, beachtet er sie nicht, aber er ist eifersüchtig. Er will nicht, dass sie ihn verlässt.«
    »Hat sie ihn noch nicht verlassen?«
    »Nein, noch nicht.«
    Sofort ging es Frances besser. Sie wusste, dass Sophie den Magier Roland nicht so leicht verlassen würde. »Er ist mein Verhängnis, Colin«, hatte sie geweint. »Er ist mein Schicksal.« Immerhin hatte sie oft genug versucht zu gehen. Aber … man musste Andrew nur anschauen, um zu sehen, dass er ein emotionales Leichtgewicht war, beruhigend vielleicht, nach dem Pfau Roland, aber kein Gegengewicht. Szenen, Geschrei, zerbrochenes Geschirr –

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