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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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Größeres zu kaufen. Frances mochte die Kinder ganz gern und glaubte, dass sie nichts gegen sie hatten: Sie waren höflich und gehorsam. Sie gingen von der Wohnung ihrer Mutter aus zur Schule, und mit ihrer Mutter und Jaspar fuhren sie in die Ferien. An einem Wochenende waren sie angespannt und still und sagten, ihrer Mutter gehe es nicht gut. Und, nein, Jaspar sei nicht da. Die Kinder sahen einander nicht an, als sie ihnen das vermittelten, aber es war, als tauschten sie Blicke voller Angst.
    Und in diesem Moment holte das wirkliche Leben sie wieder ein: So empfand es Frances. In den Monaten – nein, Jahren inzwischen –, die sie mit Rupert verbracht hatte, war sie ein anderer Mensch geworden, der langsam lernte, Glück selbstverständlich zu finden. Lieber Gott, nicht auszudenken: Wenn es Rupert nicht gegeben hätte, hätte sie mit derselben öden, gezwungenen Pflichtroutine weitergemacht, ohne Liebe, Sex, Intimität.
    Rupert ging mit den Kindern zu deren Mutter und fand vor, was er befürchtet hatte. Vor Jahren, nach der Geburt von Margaret, hatte sie an einer schweren Depression gelitten. Er hatte ihr darüber hinweggeholfen, und es war ihr besser gegangen, aber sie hatte in schrecklicher Angst gelebt, dass es wiederkommen könnte. Und das geschah. Meriel saß zusammengekrümmt in einer Sofaecke und starrte ins Leere, in einem schmutzigen Morgenmantel, mit ungewaschenem, ungekämmtem Haar. Die Kinder standen rechts und links neben ihrem Vater und starrten ihre Mutter an und drückten sich dann an ihn, damit er die Arme um sie legte.
    »Wo ist Jaspar?«, fragte er die schweigende Frau, die offensichtlich weit weg war, abgekapselt im schrecklichen Leid der Depression.
    Nach einer Weile wiederholte er die Frage, und sie war wütend über die Störung und sagte: »Weg.«
    »Kommt er zurück?«
    »Nein.«
    Mehr war wohl nicht aus ihr herauszubekommen, aber dann sagte sie, ohne sich zu bewegen, ohne den Kopf zu drehen, in einem zähen, gleichgültigen Murmelton: »Nimm die Kinder lieber mit. Hier gibt es nichts für sie.«
    Rupert suchte mit Margarets und Williams Hilfe Bücher, Spielzeug, Kleider, Schulsachen zusammen und ging dann wieder zu Meriel. »Was willst du machen?«, fragte er. Langes Schweigen. Sie schüttelte den Kopf, was heißen sollte: Lass mich in Ruhe, und dann, als die drei schon an der Tür waren, sagte sie im gleichen Ton: »Bring mich ins Krankenhaus. Irgendein Krankenhaus. Ist mir egal.«
    Die Kinder wurden wieder in ihren alten Zimmern untergebracht, und sofort war die gesamte Wohnung mit ihren Sachen übersät. Sie waren ängstlich und still.
    Rupert verständigte ihren Arzt, der dafür sorgen wollte, dass Meriel in eine psychiatrische Klinik kam. Er versuchte Jaspar zu erreichen, aber der rief nicht zurück.
    Frances sah alles ganz klar und schonungslos. Sie wusste, dass Jaspar wahrscheinlich nicht zu Meriel zurückkommen würde, wenn er aus Angst weggegangen war, mit einer Depressiven zusammen zu sein. Er war zehn Jahre jünger, war eine Zierde der Modewelt, entwarf Sportkleidung und verdiente Geld. Sein Name stand oft in der Zeitung. Warum hatte er sich eine Frau mit zwei halbwüchsigen Kindern aufgeladen? Rupert hatte gesagt, er glaube, es habe dem jungen Mann gefallen, sich reif und verantwortlich zu fühlen und zu beweisen, dass er ein ernsthafter Mensch sei. Er hatte den Ruf, schicker zu sein als ihm gut tat, Drogen, wilde Partys – all das. Und in diese Szene war er vermutlich zurückgekehrt. Das hieß, Meriel war ohne Mann und würde ihren Ehemann sehr wahrscheinlich zurückhaben wollen. Und da waren zwei Kinder, die unter emotionalem Schock standen, und da war sie, ein Mutterersatz. Ja, sie musste das ehrfürchtige und entsetzte Gefühl erleben, das sich einstellt, wenn sich das Leben in einem vertrauten Muster wiederholt. Sie dachte: Ich laufe Gefahr, dass man mir diese Kinder aufhalst – nein, man
hat
sie mir schon aufgehalst. Will ich das?
    Margaret war zwölf, William zehn. Bald würden sie in der Pubertät sein. Sie hatte keine Angst, dass Rupert sie im Stich lassen, ihr die Verantwortung übertragen könnte, aber sie fürchtete, dass ihre Intimität nicht nur leiden würde – das würde sie sicher –, sondern dass sie verschwinden, aufgesaugt werden würde von den maßlosen Bedürfnissen, die Teenager haben. Aber sie mochte Rupert so sehr … sie mochte ihn so … sie liebte diesen Mann. Sie konnte allen Ernstes sagen, dass sie bislang noch nicht geliebt hatte –

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