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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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würde, was er sah: Wie konnte er auch, wo sie doch selbst so lange gebraucht hatte? Doch dann gingen sie zusammen den Pfad hinunter, und sie zeigte ihm den Schuppen, den sie Apotheke nannte, die verschiedenen Schutzdächer und die große Hütte, auf die sie stolz zu sein schien. Auf Matten und unter Bäumen lagen Schwarze. Ein paar Männer kamen aus dem Busch, hoben eine Frau, von der er gedacht hatte, dass sie schlief, auf eine Trage aus Zweigen, an der Blätterwedel festgebunden waren, und trugen sie zwischen den Bäumen hindurch davon. »Tot«, sagte Sylvia. »Eine Geburt. Aber sie war krank. Ich weiß, dass es Aids war.« Er wusste nicht, was für eine Reaktion sie erwartete – wenn sie überhaupt eine erwartete. Sie klang – wie denn? Wütend? Stoisch?
    Als sie wieder im Haus waren, trafen sie Pater McGuire an. Andrew mochte ihn nicht und fing an zu reden, wie er es immer in schwierigen Situationen tat. Er verbrachte den größten Teil seines Lebens in Komitees, auf Kongressen und Konferenzen, wo er immer den Vorsitz hatte und Leute aus hundert Ländern unter Kontrolle hielt, die widerstrebende Interessen und Forderungen vertraten. Nie hatte ein Mann die Bezeichnung
Vermittler
mehr verdient. Das war er, und das machte er: Wege ebnen und Perspektiven öffnen. Manche Vermittler nutzten das Schweigen und saßen mit nichtssagenden Gesichtern da, bis sie sich schließlich zu Wort meldeten und das Gesagte zusammenfassten. Andrew mischte sich von Anfang an ein. Seine weltmännischen und liebenswürdigen Wortflüsse lösten Unstimmigkeiten auf, und er war gewohnt zu sehen, wie sich wütende oder misstrauische Gesichter hoffnungsvoll lächelnd entspannten.
    Er erzählte von dem Essen am Abend zuvor, und durch seine Beschreibung wurde eine wohlwollende Gesellschaftskomödie daraus, die jeden Zuhörer zum Lachen gebracht hätte, der nichts von den Hintergründen wusste. Aber diese beiden – und diese Schwarze, die dabeistand – lächelten nicht, und Andrew dachte: Natürlich, das sind gewissermaßen Bauern, sie sind es nicht gewohnt, dass … und Sylvia und der Priester standen immer noch neben ihren Stühlen, während er schon saß – bereit, zu befehlen – und darauf wartete, dass sie lächelten. Aber er gewann sie nicht, keineswegs, und ein Blick, den sie tauschten, klärte ihn schließlich auf: Sie wollten das Tischgebet sprechen. Er wurde rot vor Wut über sich selbst. »Es tut mir so leid«, sagte er und stand auf.
    Pater McGuire rezitierte ein paar lateinische Worte, denen Andrew nicht folgen konnte, und Sylvia sagte Amen mit ihrer klaren, kleinen Stimme, an die sich Andrew aus diesem anderen, fernen Leben erinnerte.
    Die drei setzten sich. Weil Andrew glaubte, einen Fauxpas begangen zu haben, fühlte er sich so unwohl, dass er schwieg.
    Die Schwarze, von der er wusste, dass sie Rebecca hieß, trug jetzt das Mittagessen auf. Es gab das Huhn, das an diesem Morgen an Dehydration gestorben war. Es war zäh. Der Priester erklärte Rebecca, es habe keinen Sinn, ein Huhn zu kochen, das gerade gestorben sei, aber sie sagte, sie habe etwas Schönes für den Besuch kochen wollen. Sie hatte auch Sülze gemacht, und Pater McGuire langte zu und sagte, dass sie öfter Besuch haben sollten.
    Sylvia wusste, dass Andrew sie beobachtete, und versuchte, von dem Huhn zu essen. Sie löffelte Sülze, als wäre es Medizin.
    Er wollte etwas über die Geschichte des Krankenhauses erfahren. Er war schockiert, aber am meisten darüber, dass Sylvia dort war. Wie konnte man so etwas Elendes Krankenhaus nennen? Man merkte, dass ihm der Ort nicht gefiel, dass er misstrauisch war, Sylvia und der Priester spürten es, wie auch Rebecca, die mit gefalteten Händen und mit dem Rücken zur Küche dastand und zuhörte. Er mochte Rebecca nicht. Und er war zutiefst misstrauisch, weil Sylvia aussah wie sie – das Oberteil im Stil der Einheimischen, gewisse Eigenarten des Gesichtsausdrucks, die Art ihrer Blicke –, doch Sylvia war sich dessen nicht bewusst. Andrew verbrachte die meiste Zeit mit
farbigen Menschen
 – wie sollte man Sylvia nennen, wenn sie so aussah, beinahe so dunkel wie Rebecca? Er wusste, dass er keine Rassenvorurteile hegte. Nein, hier ging es um ein Klassenvorurteil, und beides wurde oft verwechselt. Was machte Sylvia bloß, dass sie sich so gehenließ?
    All diese Gedanken konnte man an seinem Gesicht ablesen, obwohl er lächelte und wie üblich reizend und gesellig war, und das nahm die drei gegen ihn ein. Das Trio,

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