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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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die Augen weit auf. Wie die meisten alten Weißen hatte sie Schubladen im Kopf. Sie wusste, dass manche Schwarze so intelligent waren wie die meisten Weißen – und mit intelligent meinte sie gebildet –, aber Rebecca arbeitete in einer Küche.
    Als das Tablett mit dem Tee vor ihr stand und Rebecca sich zum Gehen wandte, hörte Edna sich sagen: »Setzen Sie sich, Rebecca.« Und fügte hinzu: »Haben Sie Zeit?«
    Rebecca hatte keine Zeit, sie hatte sich den ganzen Morgen abgehetzt. Weil ihr Sohn, der normalerweise für sie das Wasser vom Fluss holte, bei seinem Vater war, der in der vergangenen Nacht bis zum rasenden Wahnsinn getrunken hatte, hatte sie, Rebecca, Wasser aus dieser Küche in ihre Hütte tragen müssen, nachdem sie den Pater um Erlaubnis gefragt hatte, nicht einmal, sondern fünfmal. Das Wasser in dem Brunnen am Haus stand niedrig: Überall schien das Wasser zurück in die Erde zu kriechen, und es war immer schwerer zu bekommen. Aber Rebecca konnte sehen, dass die weiße Frau mit den Nerven am Ende war und sie brauchte. Also setzte sie sich und wartete. Sie dachte daran, dass Mrs. Pyne glücklicherweise mit dem Auto da war, denn der Pater hatte den Wagen der Station genommen, und Sylvia hatte gesagt, es sei vielleicht nötig, die Patientin ins Krankenhaus zu bringen, damit ein Kaiserschnitt gemacht würde.
    Worte, die stundenlang, tagelang in Edna gebrodelt und geköchelt hatten, traten jetzt als heißer, ärgerlicher, vorwurfsvoller, selbstmitleidiger Schwall hervor, obwohl Rebecca nicht die richtige Zuhörerin war. Sylvia allerdings auch nicht. »Ich weiß nicht, was ich machen soll«, sagte Edna und starrte mit weit aufgerissenen Augen nicht Rebecca an, sondern den blauen Perlenrand an dem Fliegennetz über dem Teetablett. »Ich bin mit meinem Latein am Ende. Ich glaube, mein Mann ist verrückt geworden. Na ja, sie sind eben verrückt, die Männer, oder finden Sie nicht?« Rebecca, die vergangene Nacht den Schlägen und den Umarmungen ihres tobenden Ehemanns ausgewichen war, lächelte und sagte, ja, Männer seien manchmal schwierig.
    »Das kann man wohl sagen. Wissen Sie, was er gemacht hat? Er hat tatsächlich noch eine Farm gekauft. Er meint, wenn er es nicht macht, schnappt sie sich einer von den Ministern, also warum nicht er. Ich finde, wenn Ihre Leute sie kriegen würden, dann wäre das in Ordnung, aber er sagt, er kann sie bezahlen, man hat sie der Regierung angeboten, und die wollte sie nicht haben, also hat er sie gekauft. Er baut dort einen Staudamm, bei den Hügeln.«
    »Einen Staudamm«, sagte Rebecca und erwachte zum Leben; sie war im Sitzen eingedöst. »O.k. … einen Staudamm … o.k.«
    »Sofort, wenn er gebaut ist, schnappt ihn sich eins von den schwarzen Schweinen, so machen die das, die warten, bis wir was Schönes bauen, zum Beispiel einen Staudamm, und dann schnappen sie’s sich. Warum tust du das also?, frage ich ihn, aber er sagt …« Edna saß mit einem Keks in der einen und einer Tasse in der anderen Hand da. Ihre Worte stürzten so schnell hervor, dass sie darüber das Trinken vergaß. »Ich will hier weg, Rebecca, nehmen Sie mir das übel? Ja? Das ist nicht mein Land, das sagen Ihre Leute doch, und ich finde das auch, aber mein Mann sagt, es ist ebenso gut seines wie eures, also hat er diese Farm …« Ein Klagelaut entwich ihr. Sie setzte die Tasse ab, legte den Keks auf die Untertasse, nahm ein Taschentuch aus ihrer Handtasche und wischte sich das Gesicht damit ab. Dann saß sie einen Moment da und schwieg, beugte sich vor und rieb mit gerunzelter Stirn den blauen Perlensaum zwischen den Fingern. »Hübsche Perlen. Haben Sie das gemacht?«
    »Ja, das habe ich gemacht.«
    »Hübsch. Schöne Arbeit. Außerdem kritisiert uns die Regierung unentwegt, wir werden dauernd beschimpft. Aber in unserer Siedlung wohnen dreimal so viele Leute, wie da sein sollten, jeden Tag kommen welche von dem Gemeinschaftsland, und wir geben ihnen zu essen, wir geben all diesen Leuten zu essen, weil sie auf dem Gemeinschaftsland in der Dürre verhungern, das wissen Sie doch, oder, Rebecca?«
    »O.k. Ja. Das stimmt. Sie verhungern. Und Pater McGuire hat in der Schule eine Essensausgabe eingerichtet, weil die Kinder so hungrig in die Schule kommen, dass sie nur dasitzen und weinen.«
    »Na bitte. Aber eure Regierung hat nie ein gutes Wort für einen von uns.«
    Sie weinte, ein klägliches Schluchzen wie bei einem übermüdeten Kind. Rebecca wusste, dass diese Frau nicht wegen der

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