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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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Poster waren ausgefranst, die pummeligen Glieder der Kinder fleckig.
    Sylvia quälte sich aus dem Bett, um hinunter ins Dorf zu gehen, wo sicher viele enttäuschte Leute auf sie warteten.
     
    Als Enkelin einer notorischen Nazi-Anhängerin und Tochter eines kommunistischen Funktionärs hat Sylvia Lennox ein ländliches Versteck in Simlia gefunden, wo sie ein privates Krankenhaus besitzt, das mit Gegenständen ausgestattet ist, die aus dem staatlichen Krankenhaus am Ort gestohlen wurden.
    Die Tatsache, dass Kommunismus politisch nicht korrekt war, kam in diesem unwissenden Land noch nicht vor, das war das Problem, und außerdem reagierte man hier auf das Wort Nazi nicht so wie in London. Hier mochten viele Leute die Nazis. Es gab nur zwei Attribute, auf die man garantiert eine Reaktion bekam. Das eine war »Rassist«, das andere »südafrikanischer Agent«.
    Rose wusste, dass Sylvia keine Rassistin war, aber weil sie weiß war, würde das den meisten Schwarzen ohne Weiteres einleuchten. Aber es musste nur einen Brief von einem Schwarzen in der
Post
abgedruckt werden, der besagte, dass Sylvia eine Freundin der Schwarzen sei. Wie wäre es dann mit
Spionin
? Das war auch schwierig. In dieser Zeit kurz vor dem Zusammenbruch der Apartheid kochte die Spionagehysterie bei Südafrikas Nachbarn über. Jeder, der in Südafrika geboren war oder dort gelebt hatte; wer dort vor Kurzem Ferien gemacht hatte; wer dort Verwandte hatte; jeder, der Simlia irgendwie kritisierte oder vorschlug, dass man etwas besser machen könnte; Leute, die ein Unternehmen oder ein Geschäft »sabotierten«, indem sie etwas von seiner Ausstattung verloren oder beschädigten, wie zum Beispiel eine Schachtel Briefumschläge oder ein halbes Dutzend Schrauben: Jeder, der irgendwie auch nur leise Missbilligung erregt hatte, konnte als Agent aus Südafrika bezeichnet werden und wurde auch so bezeichnet – was natürlich sehr dazu beitrug, Südafrikas Nachbarn zu destabilisieren. In dieser Atmosphäre war es demnach leicht für Rose, Sylvia für eine südafrikanische Spionin zu halten, aber wo es doch so viele gab, genügte das nicht.
    Dann gelang Rose ein Glückstreffer. Aus Franklins Büro rief jemand an und lud sie zu einem Empfang für den chinesischen Botschafter ein, zu dem auch der Genosse Präsident kommen würde. Im Butler’s Hotel. Vom Feinsten. Rose zog ein Kleid an und ging frühzeitig hin. Schon nach ein paar Wochen kannte sie auf den Partys für die »Alternativen«, wie sie es nannte, fast alle zumindest vom Sehen. Journalisten, Redakteure, Schriftsteller, die Leute von der Universität, die Ausländer, die Nichtregierungsorganisationen – viele verschiedene Leute, und alle waren gescheit, eine Eigenschaft, der sie misstraute, denn sie bildete sich ein, dass die Leute über sie lachten –, und es waren noch immer mehr Weiße als Schwarze. Sie waren ungezwungen, respektlos, sie arbeiteten hart, und die meisten waren noch voller Vertrauen in Simlias Zukunft, auch wenn manche verbittert waren. Aber zu Hause fühlte Rose sich bei den anderen, bei denen, die sie heute Abend sehen würde – bei den Regenten und Bossen, Führern und Ministern, bei denen, die Macht hatten und unter denen mehr Schwarze als Weiße waren.
    Rose stand in einer Ecke des großen Raumes, der beruhigend auf sie wirkte, weil er durch und durch stilvoll und elegant war und ihr sagte, dass sie sich am richtigen Ort befand, und wartete darauf, dass Franklin hereinkam. Sie gab acht, dass sie nicht zu viel trank – noch nicht. Sie würde sich später betrinken. Der Raum füllte sich, dann war er voll, und noch immer kein Franklin. Sie stand neben einem Mann, dessen Gesicht sie von der
Post
kannte. Sie wollte ihm nicht sagen, dass sie eine Journalistin aus London war, eine Brut, die diese Regierung so sehr hasste, und sagte: »Genosse Minister, es ist mir eine Ehre, in Ihrem wunderbaren Land zu sein. Ich bin hier zu Gast.«
    »O.k.«, sagte er erfreut, aber er hatte natürlich nicht vor, Zeit mit dieser unattraktiven weißen Frau zu verbringen, die wahrscheinlich jemandes Ehefrau war.
    »Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie der Bildungsminister sind?«, sagte Rose, die wusste, dass er das nicht war, und er antwortete freundlich, aber gleichgültig: »Nein, aber zufälligerweise der Unterminister für Gesundheit. Ja, ich habe die Ehre.«
    Er reckte seinen Kopf über die Köpfe, die ihn umgaben, und sah sich um; er wollte den Blick des Präsidenten auf sich ziehen, wenn er

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