Ein süßer Traum (German Edition)
das für Stunden, die Sie unseren Schülern geben? Sind Sie Lehrerin? Haben Sie ein Zeugnis? Sie sind Ärztin und nicht Lehrerin.«
Wieder kam Pater McGuire Sylvia zuvor. »Ja, das ist unsere gute Ärztin, sie ist Ärztin und nicht Lehrerin, aber man braucht kein Zeugnis als Lehrerin, wenn man Kindern etwas vorliest, wenn man ihnen das Lesen beibringt.«
»O.k.«, sagte Mr. Phiri. Er aß mit der nervösen Hast eines Menschen, für den das Essen wie ein Schnuller ist. Er zog das Brot zu sich hin und schnitt eine große Scheibe ab: Kein
sadza
, aber genügend Brot würde es auch tun.
Plötzlich schaltete Rebecca sich ein: »Vielleicht will der Genosse Inspektor mitkommen und sich ansehen, wie es unseren Leuten gefällt, was die Ärztin macht und wie sie uns hilft?«
Es gelang Pater McGuire, nicht zu zeigen, dass er äußerst ärgerlich war. »Ja, ja«, sagte er. »Ja, ja, ja. Aber an einem heißen Tag wie diesem möchte Mr. Phiri doch ganz bestimmt lieber hier bei uns im Kühlen bleiben und eine schöne, gute, starke Tasse Tee trinken. Rebecca, bitte bringen Sie dem Inspektor Tee.« Rebecca ging hinaus. Sylvia war im Begriff, Mr. Phiri wegen der fehlenden Hefte und Lehrbücher anzugehen, und der Priester wusste das und sagte: »Sylvia, der Inspektor würde sicher gerne etwas über die Bibliothek hören, die Sie im Dorf eingerichtet haben.«
»Ja«, sagte Sylvia. »Wir haben jetzt ungefähr hundert Bücher.«
»Und wer hat die bezahlt, wenn ich fragen darf?«
»Die Ärztin hat sie freundlicherweise selbst bezahlt.«
»Tatsächlich. Dann müssen wir der Ärztin wohl dankbar sein.« Er seufzte und sagte: »O.k.«, und das klang wie ein Seufzer.
»Sylvia, Sie haben gar nichts gegessen.«
»Ich glaube, ich trinke nur eine Tasse Tee.«
Rebecca kam mit dem Teetablett herein, teilte die Tassen aus, die Untertassen, alles sehr langsam und bedächtig, setzte das kleine Fliegennetz mit dem blauen Perlensaum über den Milchkrug und schob Sylvia die große Teekanne hin. Normalerweise schenkte Rebecca den Tee ein. Sie ging in die Küche zurück. Der Inspektor sah ihr missbilligend nach und wusste, dass etwas an ihrem Benehmen unverschämt gewesen war, aber er konnte es nicht genau benennen.
Sylvia schenkte ein und wandte ihren starren Blick nicht von dem ab, was ihre Hände taten. Sie stellte für den Inspektor eine Tasse hin, schob ihm die Zuckerdose zu und machte dann aus ihrem Brot einen Haufen Krümel. Schweigen. Draußen in der Küche summte Rebecca ein Lied aus dem Befreiungskrieg, mit dem sie Mr. Phiri ärgern wollte, aber anscheinend bemerkte er es nicht.
Glücklicherweise hörte man einen Wagen kommen, der stehen blieb und alles in Staub hüllte. Der Mechaniker in seinem schicken blauen Overall stieg aus. Mr. Phiri stand auf. »Wie ich sehe, ist mein Wagen da«, sagte er unbestimmt, wie jemand, der etwas verloren hat, aber nicht weiß, was und wo. Er ahnte, dass er sich unpassend benommen hatte, aber eigentlich konnte das nicht sein, denn er war doch in allen Punkten im Recht gewesen.
»Ich hoffe doch, Sie erzählen Ihren Eltern, dass wir uns kennengelernt haben und dass ich für sie bete.«
»Das mache ich, wenn ich sie sehe. Sie wohnen draußen im Busch, hinter dem Pambili Growth Point. Sie sind schon alt.«
Er ging hinaus auf die Veranda. Die Hibiskussträucher waren gesprenkelt mit Schmetterlingen. Ein Turako ließ sich aus einiger Entfernung vernehmen. Mr. Phiri ging zu seinem Wagen, setzte sich auf den Rücksitz, und der Wagen fuhr in Wolken von Staub davon.
Rebecca kam herein und setzte sich zu ihnen an den Tisch, was ungewöhnlich für sie war. Eine Weile sprach niemand. Dann sagte Sylvia: »Ich konnte den Idioten bis zum Krankenhaus schreien hören. Wenn ich je einen Schlaganfall-Kandidaten gesehen habe, dann ist es der Genosse Inspektor.«
»Ja, ja«, sagte der Priester.
»Das war skandalös«, sagte Sylvia. »Die Kinder haben wochenlang vom Inspektor geträumt: Der Inspektor wird dies machen, er wird jenes machen, er wird uns Bücher beschaffen.«
Pater McGuire sagte: »Sylvia, es ist nichts passiert.«
»Was? Wie können Sie nur …«
Rebecca sagte: »Schande. Es ist eine Schande.«
»Wie können Sie so verständnisvoll sein, Kevin?« Sylvia nannte den Priester nicht oft beim Vornamen. »Das ist ein Verbrechen. Der Mann ist kriminell.«
»Ja, ja, ja«, sagte der Priester. Ein ziemlich langes Schweigen. Dann: »Haben Sie noch nie daran gedacht, dass das charakteristisch für unsere
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