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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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die Nacht.«
    Wieder ging sie in ihr Zimmer und erschien diesmal mit einer Reisetasche.
    »Soll ich jetzt die Pynes anrufen und sie fragen, ob sie vorhaben, nach Senga zu fahren?«
    Edna Pyne sagte, sie freue sich über jede Ausrede, um von der verdammten Farm wegzukommen, und nach einer halben Stunde war sie da. Sylvia sprang auf den Sitz neben ihr und winkte Pater McGuire zu: »Bis morgen.« So fuhr Sylvia weg, und sie sollte erst Wochen später zurückkommen.
    Edna hörte auf dem ganzen Weg in die Stadt nicht auf zu klagen und sagte dann, sie habe etwas Schockierendes zu erzählen, eigentlich dürfe sie es gar nicht erwähnen, aber sie müsse. Einer von diesen Gaunern sei auf Cedric zugekommen und habe gesagt, wenn er seine Farmen »gleich-sofort« aufgebe, werde dafür eine Summe auf seinem Londoner Konto eingehen, die einem Drittel ihres Wertes entsprach.
    Sylvia begriff, was sie gesagt hatte, und lachte.
    »Ja, lachen Sie nur. Was soll man anderes machen. Ich sage zu Cedric, dann nimm es und nichts wie weg. Er sagt, ein Drittel des Wertes akzeptiert er nicht. Er will auf den vollen Wert bestehen. Er sagt, der neue Staudamm allein erhöht den Wert der neuen Farm um die Hälfte. Ich will einfach nur weg. Was ich nicht aushalte, ist diese verdammte Scheinheiligkeit. Die machen mich krank.« So schnatterte Edna Pyne auf dem ganzen Weg bis nach Senga, wo sie Sylvia vor den Regierungsbüros absetzte.
    Als Franklin hörte, dass Sylvia Lennox ihn sprechen wolle, geriet er in Panik. Er hatte sich zwar gedacht, dass sie »es versuchen« würde, aber so bald hatte er nicht damit gerechnet. Vor einer Woche hatte er den Befehl unterschrieben, das Krankenhaus zu schließen. Er hielt sie hin: »Sagt ihr, ich bin in einer Sitzung.« Er legte die Hände vor sich auf den Schreibtisch, saß da und starrte trübselig auf die Wand, an der das Porträt des Genossen Führers hing, das alle Büros in Simlia zierte.
    Wenn er an dieses Haus dachte, in dem er seine Ferien verbracht hatte, im Norden von London, dann war es, als rührte er an einen gesegneten Ort, der wie ein schattiger Baum war und keine Verbindung hatte mit etwas davor oder danach. Es hatte ihm ein Zuhause geboten, als er sich unbehaust fühlte, und Freundlichkeit, als er sich danach sehnte. Was die alte Frau anging, so hatte er sie gesehen, wie einen alten Sekretärvogel, der ein- und ausflog, und er hatte sie kaum bemerkt, diese schreckliche Nazi-Frau. Aber er hatte in diesem Haus doch niemals Nazi-Gerede gehört? Auch an die kleine Sylvia erinnerte er sich, mit ihren schimmernden goldenen Haarsträhnen und dem Engelsgesicht. Was Rose Trimble anging, so musste er grinsen, wenn er an sie dachte: eine richtige kleine Gaunerin, aber gut, er hatte davon profitiert, also durfte er sich nicht beklagen. Und jetzt hatte sie diesen gemeinen Artikel geschrieben … Sie war doch Gast in diesem Haus gewesen, wie er? Allerdings hatte sie viel länger dort gewohnt, also musste man ernst nehmen, was sie schrieb. Was ihn betraf, so erinnerte er sich nur an einen freundlichen Empfang, an Gelächter, gutes Essen und besonders an Frances, die wie eine Mutter war. Später hatte er bei Johnny gewohnt – und das war etwas ganz anderes gewesen. Das war keine große Wohnung, viel kleiner als das riesige Haus, in dem Colin so nett zu ihm gewesen war, aber sie war immer voller Leute aus aller Welt, Amerikaner, Kubaner, aus anderen Ländern Südamerikas, aus Afrika … Sie war wie Unterricht in Revolution, Johnnys Wohnung. Er erinnerte sich an mindestens zwei Schwarze (mit falschen Namen) aus seinem Land, die in Moskau für den Guerilla-Krieg ausgebildet worden waren. Und den Guerilla-Krieg hatte man gewonnen, und dass er hier hinter diesem Schreibtisch saß, als hoher Minister, hatte er Männern wie diesen zu verdanken. Er hielt bei Kundgebungen und großen Versammlungen Ausschau nach ihnen, aber er hatte sie nie wieder gesehen. Vermutlich waren sie tot. Jetzt ging etwas vor, das ihn verwirrte. Er wusste, was man über die Sowjetunion sagte, er gehörte nicht zu den Unschuldigen, die Simlia nie verließen. Aus dem Wort Kommunist wurde so etwas wie ein Fluch: anderswo, nicht hier, wo man nur
Marxismus
sagen musste, um das Gefühl zu haben, dass die Ahnen einem gute Noten gaben. (Wo waren sie überhaupt?) Komisch: Er hatte das Gefühl, dass dieses Haus in London mehr mit der Unbefangenheit und Wärme in den Hütten seiner Großeltern im Dorf (zufälligerweise gar nicht weit weg von der

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