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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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man durfte sie nicht bewegen. Die Bedingungen für eine Operation hätten nicht schlechter sein können.
    Sylvia wies Clever an, das Gesicht abzuwenden und den Lappen, den sie mit Chloroform getränkt hatte (aufgespart für einen Notfall), so weit wie möglich von sich fernzuhalten. Zebedee sagte sie, er solle das Becken mit den Instrumenten so hoch über den Boden heben, wie er könne, und sobald das Mädchen aufhörte zu stöhnen, fing sie an. Sie versuchte es nicht mit der minimalinvasiven Chirurgie, die sie den Jungen beschrieben hatte, sondern sagte: »Ich mache einen altmodischen Schnitt. Aber wenn ihr in der Ausbildung seid, werdet ihr feststellen, dass solche großen Schnitte veraltet sind – niemand macht das mehr.« Sie schnitt und wusste sofort, dass es zu spät war. Der Blinddarm war geplatzt, und der ganze Bauchraum war voller Eiter. Sie hatte kein Penicillin. Trotzdem tupfte und wischte sie und nähte den langen Schnitt dann zu. Schließlich sagte sie flüsternd zu den Jungen: »Ich glaube, sie wird sterben.« Sie weinten laut, Clever mit dem Kopf auf den Knien und Zebedee mit dem Kopf an Clevers Rücken.
    Sie sagte: »Ich werde melden müssen, was ich getan habe.«
    Clever flüsterte: »Wir verpetzen Sie nicht. Wir erzählen es niemandem.«
    Zebedee packte ihre Hände, die blutig waren, und sagte: »Ach, Sylvia, ach, Doktor Sylvia, bekommen Sie jetzt Schwierigkeiten?«
    »Wenn ich es nicht melde und man herausfindet, dass ihr es gewusst habt, bekommt ihr auch Schwierigkeiten. Ich muss es melden.«
    Sie zog den Rock des kleinen Mädchens hoch und die Bluse herunter. Es war tot. Es war zwölf Jahre alt. Sie sagte: »Sagt dem Schreiner, dass wir einen Sarg brauchen, schnell-schnell.«
    Sie ging hinauf zum Haus, traf dort Pater McGuire, der gerade zurückkam, und berichtete ihm, was geschehen war. »Ich muss es Mr. Mandizi erzählen.«
    »Ja, das müssen Sie wohl. Ich erinnere mich doch, Ihnen gesagt zu haben, dass das passieren kann?«
    »Ja, haben Sie.«
    »Ich rufe Mr. Mandizi an und bitte ihn, selbst zu kommen.«
    »Das Telefon funktioniert nicht.«
    »Ich schicke Aaron mit dem Fahrrad.«
    Sylvia ging zurück zum Krankenhaus, half dabei, das Mädchen in den Sarg zu legen, fand Joshua schlafend unter seinem Baum und sagte ihm, das Mädchen sei tot. Der alte Mann brauchte inzwischen eine Weile, um etwas aufzunehmen: Sie wollte nicht warten, um sich anzuhören, wie er sie verfluchte, denn das würde er tun – das tat er immer, man brauchte keine schwarze Magie, um das vorherzusagen –, und bat die Jungen, im Dorf zu sagen, dass sie an diesem Nachmittag nicht komme, aber dass sie, Clever und Zebedee, den Leuten beim Vorlesen zuhören und ihre Schreibübungen korrigieren würden.
    Im Haus trank der Priester Tee. »Sylvia, meine Liebe, ich finde, Sie sollten ein bisschen Ferien machen.«
    »Und was würde das bringen?«
    »Zeit, bis die Wogen sich geglättet haben.«
    »Glauben Sie, dass die Wogen sich glätten werden?«
    Er schwieg.
    »Wo soll ich denn hin, Pater? Jetzt, wo ich das Gefühl habe, dass das hier mein Zuhause ist. Bis das andere Krankenhaus gebaut ist, brauchen mich die Leute hier.«
    »Wir wollen sehen, was Mr. Mandizi sagt, wenn er kommt.«
    Inzwischen war Mr. Mandizi ein Freund, und es war lange her, dass er unhöflich und misstrauisch gewesen war, aber trotzdem war er ein Beamter, der seine Pflicht tat.
    Als er kam, war er nur noch an seinem Namen zu erkennen. Es war Mr. Mandizi, das sagte er, aber er sah furchtbar krank aus.
    »Mr. Mandizi, sollten Sie nicht im Bett liegen?«
    »Nein, Doktor. Ich kann sehr wohl meine Arbeit machen. In meinem Bett, da liegt meine Frau, und sie ist wirklich krank. Wir beide nebeneinander – nein, ich glaube nicht, dass mir das gefallen würde.«
    »Haben Sie die Tests machen lassen?«
    Er schwieg, seufzte, sagte dann: »Ja, Doktor Sylvia, wir haben die Tests gemacht.«
    Rebecca brachte das Fleisch, die Tomaten, das Brot für das Mittagessen herein, sah den Beamten und sagte erschrocken: »Schande, o Schande, Mr. Mandizi.«
    Weil Rebecca schon immer dünn und klein und ihr Gesicht unter dem Kopftuch knochig gewesen war, konnte er nicht sehen, wie krank auch sie war, also saß er da wie der Todgeweihte beim Festmahl, umgeben von Gesunden.
    »Es tut mir so leid, Mr. Mandizi«, sagte Rebecca und ging weinend hinaus in ihre Küche.
    »Und jetzt müssen Sie mir alles erzählen, Doktor Sylvia.«
    Sie erzählte es ihm.
    »Wäre sie auch gestorben,

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