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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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St. Luke’s Mission) gemein gehabt hatte als alles seither. Und jetzt lag in der Akte auf seinem Schreibtisch dieser gemeine Artikel. Er empfand mit jeder Minute eine tiefere Abneigung – gegen Sylvia. Warum hatte sie so schlimme Dinge getan? Sie hatte Sachen aus dem neuen Krankenhaus gestohlen, sie hatte operiert, obwohl sie das nicht durfte, und sie hatte eine Patientin umgebracht. Was erwartete sie jetzt von ihm? Was
erwartete
sie nur? Dieses Krankenhaus, das sie da führte – es hatte nie wirklich legal existiert. Die Mission beschließt, ein Krankenhaus einzurichten, holt sich eine Ärztin, und in den Akten steht nichts darüber, dass eine Erlaubnis erbeten oder erteilt worden ist … Diese Weißen, sie kommen her, sie machen, was sie wollen, sie haben sich nicht verändert, sie sind noch immer …
    Er ließ sich zum Mittagessen Sandwiches bringen, für den Fall, dass Sylvia irgendwo herumsaß und ihn abfangen wollte, und als Sylvias zweite Anfrage kam: »Bitte, Franklin, ich muss mit dir reden«, auf einen Briefumschlag gekritzelt – für wen hielt sie sich, so mit ihm umzugehen? –, befahl er, man solle ihr sagen, er sei in einer dringenden Angelegenheit weggerufen worden.
    Er ging zum Fenster und hob die Lamellen der Jalousie an, und da unten ging Sylvia. Leidenschaftliche Vorwürfe, die er vernünftigerweise an das Leben im Allgemeinen hätte richten sollen, konzentrierten sich jetzt auf Sylvias Rücken, mit einer Intensität, die sie eigentlich hätte spüren müssen: Die kleine Sylvia, der kleine Engel, der in seiner Erinnerung so frisch und strahlend war wie eine Figur auf einem Heiligenbild, war eine Frau im mittleren Alter, mit trockenem, glanzlosem Haar, das mit einem schwarzen Band zusammengebunden war, und nicht anders als die weißen, faltigen Madams, die er am liebsten gar nicht ansah, weil sie ihm so missfielen. Er fühlte sich von Sylvia betrogen. Er weinte sogar ein bisschen, während er da stand und zusah, wie der grüne Klecks, der Sylvia war, mit der Menge auf dem Gehweg verschmolz.
    Sylvia lief direkt in einen großen, vornehmen Herrn hinein, der sie in die Arme schloss und sagte: »Liebste Sylvia.« Es war Andrew, und er war in Begleitung eines Mädchens mit einer dunklen Brille und einem sehr roten Mund, der sie anlächelte. Italienerin? Spanierin?
    »Das ist Mona«, sagte Andrew. »Wir haben geheiratet. Und ich fürchte, die chaotischen Straßen von Senga sind ein Schock für sie.«
    »Unsinn, Liebling, ich finde das niedlich.«
    »Amerikanerin«, sagte Andrew. »Und sie ist ein berühmtes Model. Und schön wie der Tag, wie du siehst.«
    »Nur mit meiner ganzen Bemalung«, sagte Mona und entschuldigte sich, sie müsse sich hinlegen, sie hätten doch sicher eine Menge zu besprechen.
    »Die Höhe macht ihr zu schaffen«, sagte Andrew, küsste sie besorgt und winkte ihr nach, als sie zum Butler’s Hotel ging, das ein paar Schritte entfernt war.
    Sylvia war überrascht, dass man achtzehnhundert Meter als Höhe betrachten konnte, aber die Hauptsache war, ihr Andrew war da, und jetzt würden sie sich hinsetzen und miteinander reden, wie er sagte, in dem Café dort. Und sie gingen hinein und hielten sich an den Händen, während erfrischende Getränke kamen und Andrew alles über sie wissen wollte.
    Sie dachte, dass einer der wichtigen Männer auf der Welt hier saß und dass diese kleine Sache mit der Krankenhausschließung doch sicher durch ein Wort von ihm rückgängig zu machen war, und als sie gerade den Mund aufgemacht hatte, um anzufangen, strömte eine Gruppe sehr gut gekleideter Leute in das Café. Sie begrüßten einander, und es wurde ausgiebig über die Konferenz gefrotzelt, an der sie hier in Senga alle teilnahmen. »Das ist wohl der schickste neue Ort für eine Konferenz, aber es ist nicht ganz Bermuda«, sagte jemand.
    Sylvia wusste, dass Senga als passender Ort für alle möglichen internationalen Zusammenkünfte gehandelt wurde, und als sie diese strahlenden, gescheiten, schicken Leute sah, verstand sie, wie weit sie sich unter den extremen Bedingungen in Kwadere davon entfernt hatte, an solchen Gesprächen teilnehmen zu können.
    Andrew hielt weiterhin ihre Hand und lächelte sie oft an, und dann sagte er, dies sei vielleicht nicht der Platz zum Plaudern. Immer mehr Delegierte strömten herein und machten Witze darüber, dass das Café so klein war, was man irgendwie mit Simlias Mangel an Raffinesse in Verbindung brachte, und diese Experten für wirklich alles, was

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