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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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wenn sie sie haben wolle. Sie könne sich alles nehmen, was sie wolle. Aber das Mädchen bat nur um das Bild von den Frauen an der Wand. Ihr gefielen die Gesichter, sagte sie.
    Die Jungen erschienen, jeder mit einer Tragetasche – ihrem ganzen Besitz.
    »Habt ihr etwas gegessen?« Nein, das hatten sie eindeutig nicht. Sie setzten sich an den Tisch, und sie schnitt Brot ab und stellte ihnen das Marmeladenglas hin. Sie und Rebeccas Nichte standen da und sahen zu, wie sie mit den Messern herumhantierten und die Marmelade verteilten. All das war noch zu lernen. Sylvias Herz war vor Betroffenheit noch nie so schwer gewesen: Diese beiden – Waisen, denn das waren sie – würden in London zurechtkommen müssen, alles würden sie lernen müssen, vom Umgang mit Messer und Gabel bis dahin, wie man Arzt wird.
    Sylvia rief Edna Pyne an, die sagte, Cedric sei krank, sie könne ihn nicht allein lassen – Bilharziose, vermutlich.
    »Macht nichts, wir nehmen den Bus nach Senga.«
    »Sie können nicht mit dem Eingeborenenbus fahren, da holen Sie sich den Tod.«
    »Alle tun das.«
    »Na dann viel Spaß.«
    »Ich verabschiede mich, Edna.«
    »O.k. Keine Panik. In diesem Land sind unsere Taten wie eine Schrift im Wasser. Ach, was sage ich denn, im Sand natürlich. Das sagt Cedric, er ist traurig, wie mein schwarzer Hund. ›Unsere Taten sind eine Schrift im Wasser‹, sagt er. Jetzt wird er auch noch religiös. Na, das hat gerade noch gefehlt. Man sieht sich.«
    Die drei standen dort, wo die Straße zu den Pynes und zur Mission auf eine der Hauptstraßen nach Norden traf. Die war ein einzelner Streifen Asphalt mit vielen Schlaglöchern und an den Rändern so angefressen wie die Poster, die Rebeccas Nichte an diesem Morgen von den Wänden genommen hatte. Es war Zeit für den Bus, aber er würde sich verspäten – das tat er immer. Sie standen da und warteten und setzten sich dann und warteten, auf Steinen, die zu diesem Zweck unter einem Baum lagen.
    Nichts Besonderes, sollte man meinen, diese Straße, die sich in den Busch hineinwand und deren grauer Glanz schwächer wurde, wo Sand darüber geweht worden war, und dennoch waren hier vor nicht allzu langer Zeit fast alle schicken Autos des Landes vorbeigerast, auf dem Weg zur Hochzeit des Genossen Führers mit seiner neuen Frau – denn die Landesmutter war gestorben. Alle Staatsoberhäupter der Welt waren eingeladen gewesen, Genossen oder nicht, und man hatte sie auf dieser Buschstraße oder mit einem Helikopter zu einem Growth Point befördert, der nicht weit vom Geburtsort des Genossen Führers entfernt lag. In der Nähe hatte man unter Bäumen zwei große Festzelte errichtet. In einem standen Tische auf Böcken, auf denen Brötchen und Fanta für die Einwohner des Ortes angerichtet waren, während im anderen ein Festmahl auf weißen Tüchern bereitet war, für die Elite. Aber dann hatte der Gottesdienst, in dem die Ehe feierlich geschlossen wurde, zu lange gedauert. Als die
povos
die Brötchen verzehrt hatten, dieser Plebs, strömten alle in das Zelt für ihre Herrschaft und verzehrten das ganze Essen, während die Kellner vergeblich protestierten. Dann verschwanden sie schnell wieder im Busch und liefen nach Hause. Mehr Essen musste mit dem Helikopter aus Senga eingeflogen werden. Ein so passendes und anschauliches Ereignis … und so märchenhaft, dass man es nicht kommentieren musste.
    Über diese Straße sollten in nicht viel mehr als zehn Jahren die Gorillas und die Schläger der Partei des politischen Führers mit Macheten und Messern und Knüppeln rennen, um Farmarbeiter niederzuknüppeln, die die Gegner des politischen Führers wählen wollten. Unter ihnen waren die jungen Männer – die früheren jungen Männer –, denen Pater McGuire im Krieg Medikamente gegeben hatte. Ein Teil dieser Armee war von dieser Straße auf die kleine Straße zur Farm der Pynes abgebogen, die sich Mr. Phiri, wie sie offenbar nicht wussten, schon gewaltsam angeeignet hatte, obwohl die Pynes noch nicht fort waren. Ungefähr zweihundert Betrunkene tauchten auf dem Rasen vor dem Haus auf und verlangten, dass Cedric Pyne ein Tier für sie töten solle. Er tötete einen fetten Ochsen – die Dürre hatte nachgelassen –, auf dem Rasen wurde ein großes Feuer angefacht, und der Ochse wurde gebraten. Die Pynes wurden von der Veranda gezerrt und mussten Slogans singen, die den Genossen Führer priesen. Edna weigerte sich. »Ich will verdammt sein, wenn ich nur euch zu Gefallen lüge«,

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