Ein süßer Traum (German Edition)
dass Julia dort allein im Halbdunkel saß. Seit Frances den unteren Teil des Hauses übernommen hatte, hatte sie Julia nicht mehr in diesem Zimmer gesehen. Jetzt hätte sie sich eigentlich setzen und mit Julia Freundschaft schließen müssen, aber sie war wie immer in Eile.
»Ich war gerade auf dem Weg nach unten zu euch«, sagte Julia, »aber wie ich höre, ist Johnny gekommen.«
»Ich weiß nicht, wie ich ihn daran hindern kann herzukommen.« Frances lauschte nach unten – in der Küche war alles in Ordnung, kein Streit? War oben bei Sylvia alles in Ordnung?
Julia sagte: »Er hat ein Zuhause. Ich habe allerdings den Eindruck, er ist nicht sehr oft dort.«
»Wenn Phyllida da ist«, sagte Frances, »wer will ihm das vorwerfen?«
Sie hatte gehofft, dass Julia darüber zumindest lächeln würde, aber stattdessen sprach sie weiter: »Ich muss schon sagen …« Und Frances erwartete ihre sichere Dosis Missbilligung. »Du bist Johnny gegenüber so schwach. Er hat dich abscheulich behandelt.«
Frances dachte: Warum gibst du ihm dann den Hausschlüssel? Aber sie wusste, eine Mutter konnte ihrem Sohn kaum den Schlüssel für ein Haus verwehren, das er für sein Eigentum hielt. Und außerdem waren da die Jungen. Sie versuchte, ein bisschen zu scherzen, und sagte: »Vielleicht könnten wir die Schlösser austauschen?«
Aber Julia ging tatsächlich darauf ein: »Ich würde mich darum kümmern, wenn ich nicht annehmen müsste, dass du ihm sofort einen neuen Schlüssel gibst.« Sie stand auf, und Frances, die sich eigentlich hatte setzen wollen, sah eine weitere Gelegenheit schwinden.
»Julia«, sagte Frances, »du kritisierst mich immer, aber du unterstützt mich nicht.« Eigentlich wollte sie damit sagen, dass Julia ihr das Gefühl gab, ein in jeder Hinsicht unzulängliches Schulmädchen zu sein.
»Was sagst du da? Das verstehe ich nicht.« Julia war wütend und verletzt.
»Ich meine nicht … du warst so gut … du bist immer so großzügig … nein, ich meinte nur, dass …«
»Ich glaube nicht, dass ich meine Verantwortung für die Familie vernachlässigt habe«, unterbrach Julia sie, und Frances bemerkte mit Erstaunen, dass Julia drauf und dran war, in Tränen auszubrechen. Sie hatte Julia verletzt, und die Erkenntnis, dass das möglich war, ließ sie stammeln: »Julia … aber, Julia … du irrst dich, ich wollte nicht …« Und dann: »Ach,
Julia
«, in einem anderen Ton diesmal, und Julia, die aus dem Zimmer gehen wollte, blieb stehen und sah sie prüfend an, als wäre sie bereit, sich berühren, erreichen zu lassen: sogar bereit, selbst die Hand auszustrecken.
Aber unten schlug eine Tür, und Frances rief verzweifelt: »Da ist er, das ist Johnny.«
»Ja, das ist Genosse Johnny«, sagte Julia und ging nach oben.
Wieder unten in der Küche, sah Frances Johnny in seiner üblichen Haltung am Fenster stehen. Neben ihm stand ein gut aussehender Schwarzer, dessen Kleidung teurer war als die aller anderen, und als Johnny ihn vorstellte, lächelte er: »Das ist Genosse Mo aus Ostafrika.«
Frances setzte sich und schob Rose über den Tisch den Roman zu, aber die starrte voller Bewunderung Genosse Mo und Johnny an, der mit seiner Vorlesung über die Geschichte Ostafrikas und die Araber fortfuhr, um Genosse Mo zu beeindrucken.
Und jetzt war Frances in einem Dilemma. Sie wollte Johnny nicht bitten, sich zu setzen. Sie hatte ihn gebeten – auch wenn Julia das nie glauben würde –, nicht zur Essenszeit vorbeizukommen und anzurufen, bevor er kam. Aber jetzt war dieser Gast da, und sie musste natürlich …
»Möchtet ihr etwas essen?«, fragte sie, und Genosse Mo rieb sich die Hände und lachte und sagte, er sei schon halb verhungert, und setzte sich sofort auf den Stuhl neben ihr. Johnny setzte sich ebenfalls, sagte aber, er werde nur ein Glas Wein trinken – er hatte eine Flasche mitgebracht. Wo Andrew und Sylvia noch vor Minuten gesessen hatten, nahmen jetzt Genosse Mo und Johnny Platz, und die beiden Männer legten sich alles auf die Teller, was von Auflauf und Gemüse übrig war.
Frances war wütend bis zu dem Grad, an dem die Wut mutlos macht: Was brachte es überhaupt, wütend auf Johnny zu sein? Er hatte ganz offensichtlich seit Tagen nichts mehr gegessen, denn er stopfte sich Brot in den Mund, trank große Schlucke Wein und füllte sein Glas und das des Genossen Mo zwischen den Bissen neu. Die jungen Leute sahen, dass andere noch größeren Appetit haben konnten als sie selbst.
»Ich bringe
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