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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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ihren Teenager-Appetit, und Frances aß mehr als gewöhnlich, um den beiden links von ihr ein Beispiel zu geben. Es war ein wunderbarer Abend mit zärtlichem Unterton, und sie hatten ihn Sylvia und ihrer Sorge um sie zu verdanken. Es war, als würden alle sie gemeinsam in die Arme nehmen, während sie – ebenso wie Andrew – einen Bissen nach dem anderen hinunterschluckte.
    Und dann sahen sie, dass sie weiß geworden war und zitterte.
    »Mein Vater …«, flüsterte sie. »Ich meine, mein Stiefvater …«
    »Ach nein«, sagte Colin, »alles in Ordnung, der ist nach Kuba gefahren.«
    »Ich fürchte, nein«, sagte Andrew und sprang auf, um Johnny abzufangen, der im Flur vor der Küche stand. Andrew schloss die Tür, aber alle konnten Johnnys schroffe, vernünftige, selbstbewusste Stimme hören und Andrew, der sagte: »Nein, Vater, nein, du kannst nicht hereinkommen, ich erkläre es dir später.«
    Laute Stimmen, dann leiser, und Andrew kam zurück, ließ die Tür offen stehen und rutschte wieder auf den Stuhl neben Sylvia. Er war ganz rot im Gesicht und wütend, und er umklammerte seine Gabel wie eine Waffe.
    »Warum ist er denn nicht in Kuba?«, fragte Colin bockig wie ein Kind.
    Die Brüder schauten sich an, waren sich plötzlich einig und trafen eine Abmachung.
    Andrew sagte: »Er ist nicht weggefahren, aber wahrscheinlich fährt er noch.« Immer noch wütend, fügte er hinzu: »Ich glaube, eigentlich fährt er nach Sansibar – oder nach Kenia.« Eine Pause, während die Brüder mit Blicken und mit ihrem wütenden Lächeln Zwiesprache hielten. »Er ist nicht allein, er hat einen Schwarzen dabei … jemanden von dort … einen afrikanischen Genossen.« Diese Anpassung an den Zeitgeist wurde von der Gesellschaft sorgfältig bedacht. Afrika war in ihren Herzen und in ihrem Bewusstsein. Die progressiven Schulen hatten dafür gesorgt, und sogar Rose, deren Schule alles andere als progressiv war, wählte ihre Worte mit Bedacht: »Ich finde, wir müssen nett zu dunkelhäutigen Menschen sein.«
    Sylvia war noch immer verstört. Der Löffel hing in ihrer schlaffen, dünnen Hand.
    Und James, der verständlicherweise nichts verstand, sagte jetzt: »Warum fährt er nach Afrika anstatt nach Kuba?«
    Daraufhin lachten die Brüder gleichzeitig auf, und es war kein nettes Lachen, während Frances sich zusammennahm, um nicht einzustimmen, auch wenn sie es gerne getan hätte. Sie hatte immer versucht, Johnny in der Öffentlichkeit nicht zu kritisieren.
    Bedeutungsvoll wie ein Redner sagte Colin: »Lasst sie im Ungewissen«, und Frances musste lachen, als sie das Zitat hörte. »Genau«, sagte Andrew, »lasst sie im Ungewissen.«
    »Warum lacht ihr?«, fragte Sylvia. »Was ist denn so komisch?«
    Andrew hörte sofort auf zu spotten und nahm seinen Löffel wieder in die Hand. Doch im Grunde war seine und Sylvias Mahlzeit beendet. »Johnny kommt«, sagte er zu ihr. »Er holt nur etwas aus dem Wagen. Wenn du ihm aus dem Weg gehen willst …«
    »Oh ja, das will ich, ja, bitte«, sagte Johnnys Stieftochter, und schon stand sie auf, gestützt von Andrews Arm, und dann gingen sie zusammen hinaus. Zumindest hatten beide etwas gegessen.
    Frances rief ihnen nach: »Sagt Julia, sie soll nicht herunterkommen, sonst streiten sie sich wieder.«
    Sie aßen weiter, aber die Stimmung war gedämpft. Die Truppe vom St. Joseph’s sprach über ein Buch, das Daniel an einem Secondhand-Buchstand gestohlen hatte,
Richard Feverel – Eine Geschichte von Vater und Sohn
. Er hatte es gelesen und sagte, es sei groovy, der tyrannische Vater sei genau wie seiner. Er hatte es Geoffrey empfohlen und freute sich, als der sagte, es sei großartig, und dann war der Roman zu Sophie gewandert, die meinte, es sei das beste Buch, das sie je gelesen habe, es bringe sie zum Weinen. Jetzt las Colin es. Rose sagte: »Warum kann ich es nicht lesen? Das ist nicht fair.«
    »Es ist nicht das einzige Exemplar auf der Welt«, bemerkte Colin.
    »Ich habe ein Exemplar, ich leihe es dir«, sagte Frances.
    »Ach, Frances, danke, du bist so lieb zu mir.«
    Wie alle wussten, hieß das: Ich hoffe, du wirst weiter lieb zu mir sein.
    »Ich hole es.« Frances war froh, dass sie eine Ausrede hatte, aus diesem Raum zu gehen, in dem so bald die gegensätzlichen Ströme wirbeln würden. Und bis jetzt war der Abend so nett gewesen.
    Sie ging hinauf in das Zimmer gleich über der Küche, das Wohnzimmer, suchte an einer Wand voller Bücher
Richard Feverel
, drehte sich um und sah,

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