Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
Vom Netzwerk:
sein. Sie konnte ihr nichts anderes kochen als den anderen, aber sie aß beinahe nur Kartoffeln. Also gut, Frances würde einen großen Auflauf aus Hackfleisch und Kartoffelbrei machen, und die Mädchen, die abnehmen wollten, konnten ihretwegen das Püree weglassen. Dazu würde es Gemüse geben. Rose aß kein Gemüse, aber Salat. Geoffrey aß nie Fisch oder Gemüse: Sie machte sich schon seit Jahren Sorgen um Geoffreys Ernährung, und er war gar nicht ihr Kind. Was dachten wohl seine Eltern darüber, dass er kaum nach Hause ging und immer zu ihnen kam – oder vielmehr zu Colin? Sie fragte ihn, und er sagte, sie seien ganz froh, dass er irgendwo hingehen könne. Anscheinend arbeiteten beide hart. Quäker. Religiös. Ein öder Haushalt, wie es schien. Sie hatte Geoffrey lieb gewonnen, aber sie würde auf gar keinen Fall ihre Zeit damit verschwenden, sich um Rose zu sorgen. Vorsicht, Frances: Eines hatte sie wirklich gelernt, und zwar, dass man nie sagen sollte, was man vom Schicksal, das seine eigenen Vorstellungen hatte, akzeptieren oder ablehnen würde.
    Aber vielleicht war Schicksal nichts weiter als das eigene Temperament, das unsichtbar Menschen und Ereignisse anzieht. Es gibt Menschen, überlegte sie, die (wahrscheinlich unbewusst, wenn sie jung sind, bis man ihnen aufdrängt, dass dies ihr Charakter ist) dem Leben gegenüber eine gewisse Passivität an den Tag legen und abwarten, was ihnen geschenkt, ihnen aufgetischt wird. Oder was sie bedrängt. Die dann in aller Ruhe zulassen, dass die Sache sich entwickelt, dass sie sich zeigt. Und dann geht es darum, das Beste daraus zu machen, zu tun, was man kann.
    Als sie mit neunzehn Johnny geheiratet und nichts anderes als Krieg und schlechte Zeiten zu erwarten hatte – hätte sie damals gedacht, dass sie einmal so etwas sein würde wie eine Hausmutter oder »Erd-Mutter«, wie der aktuelle Ausdruck war? Wo hätte sie auf dem Weg dorthin sagen sollen: »Nein, ich will nicht«? (Wenn sie denn entschlossen gewesen wäre, dieses Schicksal abzuwenden.) Sie hatte gegen Julias Haus angekämpft, aber wahrscheinlich wäre es besser gewesen, wenn sie viel früher nachgegeben und ja gesagt hätte, ja zu dem, was geschah, es bewusst gesagt und akzeptiert hätte, was sich ergab, wie es jetzt ihre Philosophie war. Nein sagen heißt oft, es zu machen wie Leute, die sich von einem Partner scheiden lassen, um dann einen anderen zu heiraten, der genauso aussieht und denselben Charakter hat: Wir haben unsichtbare Schablonen, die so unausweichlich zu uns gehören wie Fingerabdrücke, aber wir wissen nichts von ihnen, bis wir uns umschauen und ihr Spiegelbild sehen.
    »Wir wissen wohl, was wir sind …« (Oh nein, das wissen wir nicht!) »… aber nicht, was wir werden können.«
    Früher wäre es ihr schwer gefallen zu glauben, dass sie keusch leben könnte, ohne dass ein Mann in Aussicht war … Noch immer gab sie sich Fantasien hin über einen Mann in ihrem Leben, der kein wahnsinniger Egozentriker war wie Johnny. Aber welcher Mann würde sich mit einem Haufen junger Leute belasten wollen, die alle aus irgendeinem Grund »gestört« waren? Man konnte sie nur beglückwünschen, dass sie in Swinging London wohnten und dass ihnen alles versprochen wurde, was sich die Werbung aus mindestens zwei Kontinenten ausdenken konnte. Und obwohl die »Kinder« swingten – und das taten sie, morgen, am Samstag, würden sie zu dem großen Jazzkonzert gehen –, waren sie doch verkorkst, und zwei von ihnen, ihre Söhne, durch Johnny und sie. Und durch den Krieg natürlich.
    Frances nahm ihre Last auf, voll gepackte Tragetaschen, bezahlte ihre Rechnung und ging den Hügel hinauf nach Hause.
    Weil es jetzt den »Clean Air Act« zur Luftreinerhaltung gab, trieb ein perlmuttfarbener Nebel vor den Fenstern und legte Tau auf die Haare und Wimpern der »Kinder«, die lachend ins Haus kamen und einander umarmten wie Überlebende. Die Geländer waren mit feuchten Dufflecoats beladen, und am Tisch waren alle Stühle bis auf zwei zu ihrer Linken besetzt. Colin hatte sich neben Sophie niedergelassen, sah aber, dass er neben einem leeren Stuhl sitzen würde, und ging schnell zum Tischende, wo er bei Geoffrey stehen blieb, der Frances gegenübersaß. Dann nahm Colin kurzerhand den wichtigen Stuhl für sich in Anspruch, indem er Geoffrey mit einem Hüftschwung davon vertrieb. Eine Geste zwischen Schuljungen, die sich grob benahmen, doch zu kindlich für ihren Status als beinahe Erwachsene. Geoffrey kam und

Weitere Kostenlose Bücher