Ein süßer Traum (German Edition)
hergekommen ist«, fuhr Andrew fort. »Das war eine Offenbarung für sie. Ihre Verhältnisse sind ziemlich eingeschränkt – obwohl ihre Eltern sehr nett sind …«
»Und wollt ihr – du und Julia – sie auf unbestimmte Zeit unterhalten?«
»Nein«, sagte Andrew. »Ich habe gesagt, es reicht. Immerhin hat sie den einen oder anderen Kuss im Mondlicht ziemlich genossen.«
Und jetzt hatten sie einen Gast, der nicht wieder gehen wollte.
Wenn man Rose ansah, konnte man meinen, ihr würde mit Haft gedroht, mit Folter. Ein Tier in einem Käfig, der zu klein war.
Das alles war unverhältnismäßig, lächerlich … Frances ließ sich nicht beirren, obwohl ihr Herz klopfte, weil das Mädchen so aufgebracht war: »Rose, fahr doch zu Weihnachten nach Hause, weiter nichts. Wenigstens das. Sie sind sicher schon krank vor lauter Sorge um dich. Und du musst mit ihnen über die Schule reden …« Daraufhin explodierte Rose, sprang auf und sagte: »Ach, Scheiße, das hat mir gerade noch gefehlt …« Und sie rannte heulend aus dem Zimmer. Sie hörten, wie sie die Treppe zur Souterrainwohnung hinunterstampfte.
»Ach«, sagte Geoffrey, »was für ein Theater.«
Sylvia sagte: »Ihre Schule ist bestimmt schrecklich, wenn sie sie so hasst.« Sie selbst war bereit, wieder zur Schule zu gehen, während sie hier wohnte, »bei Julia«, wie sie es ausdrückte. Und sie hatte versprochen: Ja, sie werde sich Mühe geben und studieren, um Ärztin zu werden.
Was Rose verbrannte, was sie mit ätzendem Neid verzehrte, war, dass Sylvia – »Und sie ist nicht einmal verwandt, sie ist nur Johnnys Stiefkind« – im Haus wohnte, als hätte sie ein Recht darauf, und dass Julia sie unterhielt. Rose glaubte offenbar, es wäre nur gerecht, wenn Julia für sie, Rose, zahlte, damit sie auf eine progressive Schule gehen konnte, und hierbleiben konnte, so lange sie wollte.
Colin hatte zu ihr gesagt: »Glaubst du, meine Großmutter hat einen Goldesel? Nicht nur, dass sie sich Sylvia zumutet. Sie zahlt schon für mich und für Andrew.«
»Das ist nicht fair«, war Roses Antwort gewesen. »Ich sehe nicht ein, warum sie alles kriegen muss.«
Jill hatte als Einzige noch kein Wort gesagt. Als sie merkte, dass alle sie ansahen, sagte sie: »Ich fahre nicht nach Hause. Aber ich fahre über Weihnachten zu meiner Cousine nach Exeter.«
Am nächsten Morgen traf Frances sie in der Küche, während sie Tee kochte. Die Küche der Souterrainwohnung war reichlich ausgestattet, also hieß das wohl, dass Jill auf ein Schwätzchen hoffte.
»Wollen wir uns hinsetzen und Tee trinken?«, sagte Frances.
Jill setzte sich ihr gegenüber ans Tischende. Offenbar würde eine Unterhaltung mit ihr anders verlaufen als eine Begegnung mit Rose. Das Mädchen betrachtete Frances traurig und ernst und hielt beim Sitzen die Arme um sich geschlungen, als wäre ihr kalt.
Frances sagte: »Jill, verstehst du, dass ich in einer unmöglichen Situation bin, was deine Eltern angeht?«
Das Mädchen sagte: »Ach, ich dachte, du sagst jetzt, dass du nicht weißt, wieso du mich hierbehalten sollst. Na schön. Aber …«
»Ich hatte nicht vor, das zu sagen. Aber verstehst du denn wirklich nicht, dass deine Eltern sicher verrückt sind vor Sorge?«
»Ich habe ihnen gesagt, wo ich bin. Ich habe gesagt, ich bin hier.«
»Überlegst du dir, ob du zurück in die Schule gehst?«
»Ich verstehe nicht, was das bringen soll.«
Sie war nicht gut in der Schule, aber im St. Joseph’s war das kein ausschlaggebendes Argument.
»Und verstehst du denn nicht, dass ich mir Sorgen um dich mache?«
Das Mädchen schien aufzuleben, die kalten, dunklen Ahnungen fielen von Jill ab, und sie beugte sich vor und sagte: »Ach, Frances, nein, das darfst du nicht. Es ist so schön hier. Ich fühle mich so sicher.«
»Und zu Hause fühlst du dich nicht sicher?«
»Das ist es nicht. Sie … mögen mich einfach nicht.« Wieder zog sie sich in ihre Schale zurück, umarmte sich und rieb sich die Arme, als wäre ihr kalt.
Frances fiel auf, dass Jill sich an diesem Morgen dicke schwarze Linien um die Augen gemalt hatte. Eine Veränderung war mit dem adretten kleinen Mädchen vorgegangen. Und sie trug eins von Roses Minikleidern.
Frances hätte das Kind gerne in die Arme genommen und festgehalten. Bei Rose hatte sie nie einen solchen Impuls gehabt: Sie wünschte sich, dass Rose einfach verschwinden würde. Also mochte sie Jill, und Rose mochte sie nicht. Aber was machte das schon, wenn sie beide gleich
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