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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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Hügellandschaften in alle Richtungen erstreckten, dass genau dies das Herz von England sei. Und dann weinte er, dieser große Mann, und sie verstand ihn nur zu gut. Das Gesicht auf die Arme gelegt, weinte er im Gras um seinen verlorenen Traum, und sie dachte: Wir passen so gut zueinander, aber wir werden nicht wieder zusammen sein. Etwas war zu Ende. Für ihn. Und für sie auch: Was mache ich hier, ich tanze um das Herz von England herum mit einem Mann, dessen Herz gebrochen ist wegen – doch nicht wegen mir?
    Am späten Nachmittag bat sie ihn, sie irgendwo abzusetzen, wo sie ein Taxi nehmen konnte, denn sie hätte es nicht ertragen, vor dem Haus mit den eifersüchtigen, hungrigen Augen zusammen mit ihm gesehen zu werden. Sie küssten sich voller Bedauern. Er sah, wie sie in ein Taxi stieg, und sie fuhren in verschiedene Richtungen davon. Und Frances lief mühelos und voller Energie die Treppe hinauf und ging direkt in ihr Badezimmer, denn sie hatte Angst, zu sehr nach Sex zu riechen. Dann klopfte sie an Julias Tür und erwartete, kühl und genau betrachtet zu werden – und so war es auch. Aber weil ihr Blick nicht unfreundlich war, sondern nett, setzte sie sich und sagte nichts und lächelte Julia nur mit zitternden Lippen an.
    »Es ist schwer«, sagte Julia, und das klang, als wüsste sie, wie schwer. Sie ging zu einem Schrank voller interessanter Flaschen, schenkte einen Cognac ein und brachte ihn Frances.
    »Dann rieche ich nach Alkohol«, sagte Frances.
    »Macht nichts.« Julia zündete die Flamme an ihrem kleinen Kaffeekocher an. Eine Weile wandte sie Frances den Rücken zu, und Frances wusste, dass das aus Taktgefühl geschah, weil sie so dringend weinen musste. Ein paar Minuten später stand eine Tasse mit starkem schwarzem Kaffee neben dem Cognac.
    Die Tür ging auf – kein Klopfen –, und Sylvia stürmte herein. »Ach, Frances«, sagte sie. »Ich wusste nicht, dass du hier bist. Ich wusste nicht, dass sie hier ist, Julia.« Zuerst blieb sie zögernd stehen und lächelte, doch dann stürzte sie sich auf Frances, schloss sie in die Arme und legte ihre Wange an Frances’ Haar. »Ach, Frances, wir wussten nicht, wo du bist. Du bist einfach weggegangen, hast uns allein gelassen. Wir haben gedacht, du hast die Nase voll von uns und hast uns verlassen.«
    »Das könnte ich gar nicht«, sagte Frances.
    »Ja«, sagte Julia. »Ich glaube, Frances gehört einfach hierher.«
     
    Der Sommer dehnte sich und ließ nach, er atmete langsam und immer langsamer, und die Zeit schien dazuliegen wie ein flacher See, auf dem man treiben und ruhen konnte. Das würde vorbei sein, wenn die »Kinder« zurückkamen. Die beiden, die schon da waren, nahmen in dem großen Haus wenig Raum ein. Hin und wieder sah Frances über den Treppenabsatz hinweg Sylvia, die mit einem Buch auf dem Bett lag und ihr zuwinkte: »Ach, Frances, das ist so ein schönes Buch«, oder wenn sie die Treppe hinauf zu Julia rannte. Und dann sah sie, wie die beiden die Straße entlangschritten, um einkaufen zu gehen – Julia mit ihrer kleinen Freundin Sylvia. Andrew lag auch auf seinem Bett und las. Frances hatte – schuldbewusst, das versteht sich von selbst – an seine Tür geklopft, »Herein« gehört und war eingetreten, aber nein, es war kein Rauch im Zimmer. »Bitte, Mutter«, sagte er schleppend, denn auch an ihm war alles langsamer geworden, wie ihr eigener Pulsschlag, »du musst mehr Vertrauen zu mir haben. Ich bin kein Opiumfresser mehr, der auf dem Weg in die Verdammnis ist.«
    Frances kochte nicht. Manchmal traf sie Andrew in der Küche, wo er sich ein Sandwich machte, und dann bot er an, auch eins für sie zu machen. Oder sie für ihn. Sie setzten sich an die entgegengesetzten Enden des großen Tisches und dachten an den Überfluss: an die Tomaten aus den zypriotischen Läden in Camden Town, in denen echtes Sonnenlicht steckte und die knubbelig und nicht selten auch missgeformt waren, deren üppiger, barbarisch prachtvoller Duft die Küche erfüllte, wenn man sie mit dem Messer zerschnitt. Sie aßen Tomaten mit griechischem Brot und Oliven, und manchmal redeten sie. Andrew merkte an, dass er es eigentlich in Ordnung fand, Jura zu studieren. »Warum zweifelst du daran?« »Ach, ich werde mich wohl auf internationales Recht spezialisieren. Der Zusammenprall der Nationen. Aber ich muss zugeben, dass ich glücklich damit wäre, mein Leben lang auf dem Bett zu liegen und zu lesen.« »Und manchmal Tomaten zu essen.« »Julia sagt, ihr Onkel

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