Ein süßer Traum (German Edition)
und neben ihm Rose. Sie wechselten kein Wort und keinen Blick. James war aus der Schule hergekommen, und er würde auf dem Boden im Wohnzimmer schlafen. Rose gegenüber saß Franklin, der ein bisschen zu viel getrunken hatte. Auf dem Tisch standen Weinflaschen, die Johnny mitgebracht hatte, der auf seinem Posten am Fenster stand. Neben Franklin saß Geoffrey, der im ersten Semester an der LSE war. In seiner Kleidung aus Armeebeständen sah er aus wie ein Guerilla-Kämpfer. Er war da, weil er im Cosmo Johnny getroffen und gehört hatte, dass er an diesem Abend kommen würde. Sophie war bereits gegangen, sie hatte an diesem Nachmittag die liebe Frances besucht. Sie fand das Leben hart, nicht wegen der Schauspielschule, wo sie brillierte, sondern wegen Roland Shattock. Heute Abend war sie mit ihm in einer Disco. Neben Frances saß Jill, die an diesem Nachmittag wieder aufgetaucht war. Sie fragte schüchtern, ob sie zum Essen bleiben dürfe. Sie trug einen Verband am linken Handgelenk und sah ziemlich schlecht aus. Rose hatte sie begrüßt mit: »Ach, was machst du denn hier?« Jill wartete ab, bis Lärm und Gelächter laut genug waren, und sagte dann zu Frances: »Kann ich in dem anderen Zimmer unten wohnen? Schließlich hast du doch zu bestimmen, wer hier schläft, nicht wahr?« Allerdings wollte Colin, dass Franklin das Zimmer zur Verfügung stand, den er auch zu Weihnachten eingeladen hatte. Und Jill und Rose kamen offenkundig nicht miteinander aus.
»Hast du vor, wieder zur Schule zu gehen?«, fragte Frances.
»Ich weiß nicht, ob sie mich wieder nehmen.« Jill sah Frances mit einem schüchternen, flehentlichen Blick an, der bedeuten sollte: Kannst du fragen, ob sie mich wieder nehmen?
Aber wo würde sie wohnen?
»Warst du im Krankenhaus?«
Das Mädchen nickte. Dann, immer noch im Flüsterton: »Ich war einen Monat da.« Womit sie Frances zu verstehen gab: auf einer psychiatrischen Station. »Kann ich nicht einfach im Wohnzimmer schlafen?«
Andrew war vollauf mit Sylvia beschäftigt, ermunterte sie, lachte mit ihr, wenn sie einen Witz über ihre Schwierigkeiten machte. Mit einem Ohr aber hörte er dem Wortwechsel zwischen Jill und seiner Mutter zu, und als er Frances’ Blick einfing, schüttelte er den Kopf. Seine Ablehnung hätte nicht deutlicher sein können, obwohl es nur ein kleines Nein war, das von den anderen unbeobachtet bleiben sollte. Aber Jill hatte es gesehen. Sie saß mit gesenktem Blick und zitternden Lippen da und schwieg.
»Das Problem ist, wo sollen wir dich unterbringen?«, sagte Frances. Auch würde Jill in der Schule wahrscheinlich nicht zurechtkommen, selbst wenn Frances dafür sorgte, dass sie wieder aufgenommen wurde. Was war zu tun?
Dieses traurige kleine Drama spielte sich an Frances’ Tischende ab; am anderen herrschte geräuschvolle gute Laune. Johnny erzählte von seiner Reise in die Sowjetunion, mit einer Delegation von Bibliothekaren, und die Witze gingen auf Kosten der Nichtparteimitglieder, die einen Fauxpas nach dem anderen begangen hatten. Einer hatte bei einem Treffen des Verbands der Sowjetischen Schriftsteller verlangt, man solle ihm zusichern, dass es in der Sowjetunion keine Zensur gebe. Ein anderer hatte wissen wollen, ob die Sowjetunion »wie der Vatikan« einen Index verbotener Bücher führe. »Ich meine«, sagte Johnny, »das ist doch ein unverzeihlicher Grad an politischer Naivität.«
Dann hatte es vor Kurzem die Wahlen gegeben, und die Labour Party war wieder an der Regierung. Johnny war aktiv gewesen: eine komplizierte Geschichte, denn die Labour Party war einerseits ganz offensichtlich eine größere Gefahr für die arbeitenden Massen als die Tories (weil sie die Köpfe mit unrichtigen Formulierungen durcheinanderbrachte), aber man hatte aus taktischen Erwägungen verfügt, dass sie unterstützt werden sollte. James lauschte diesem Für und Wider wie seiner Lieblingsmusik. Johnny hatte ihn mit einem Genossen-Nicken begrüßt und ihm die Hand auf die Schulter gelegt, aber jetzt konzentrierte er sich auf den Neuling, der noch zu gewinnen war, auf Franklin. Er gab einen kurzen Abriss der Kolonialpolitik in Simlia, erläuterte ausführlich die Verbrechen der Kolonialpolitik in Kenia und mit besonderem Genuss das üble Verhalten Großbritanniens, dann ging er dazu über, Franklin zu ermahnen, er müsse für die Freiheit Simlias kämpfen. »Die nationalistische Bewegung in Simlia ist nicht so entwickelt wie die Mau-Mau, aber es ist an jungen Leuten wie dir, euer
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