Ein sueßes Versprechen
seines Hemdes an der Schulter auf und entfernten den Ärmel. Jetzt lag der Schnitt bloß, wurde gründlich gereinigt und erwies sich als so tief, dass er genäht werden musste. Er konnte die Stelle nicht gut genug sehen, um ihr zu widersprechen, daher saß er mit zusammengebissenen Zähnen da und verkniff sich die Flüche, die ihm auf der Zunge lagen, während Gibson die Wundränder ordentlich vernähte.
Endlich traten Loretta und ihre Handlangerinnen zurück.
Allerdings betrachtete sie ihn mit gerunzelter Stirn und sagte:
»Wir sollten wirklich noch eine Salbe auftragen.« Sie blickte zu Gibson, die den Kopf schüttelte.
»Davon haben wir leider nichts dabei. Und es sollte auch ordentlich verbunden werden.«
»Genau.« Loretta wandte sich ab. »Warten Sie hier. Ich habe etwas, das wir verwenden können.«
Unterdessen verrenkte Rafe den Kopf, um die Verletzung sehen zu können.
Loretta kehrte aus ihrer Kabine zurück, einen Stapel weicher Tücher in den Händen.
»Ich habe einen meiner Unterröcke zerschnitten.«
Er blinzelte und saß ganz ruhig und still, während sie den Stoff um seinen Arm wickelte und dann energisch verknotete.
»So.« Sie trat einen Schritt zurück und begutachtete ihr Werk.
Er nutzte den Augenblick, um aufzustehen. Er hatte die Grenze dessen erreicht, was er aushalten konnte, und jetzt musste er von hier weg.
Lorettas Blick wanderte zu seinem Gesicht, sie studierte es einen Moment lang, dann nickte sie.
»Das ist das Beste, was wir momentan tun können.« Sie machte ihm den Weg frei, während er Hoffnung schöpfte, endlich entkommen zu können, und zur Tür ging, wobei er allerdings von ihr begleitet wurde.
An der Tür blieb er stehen, drehte sich um und verneigte sich tief.
»Vielen Dank, die Damen.«
Rose und Gibson lächelten erfreut.
Loretta nickte nur und öffnete ihm die Tür.
»Und vergessen Sie nicht, uns das Hemd und den Rock zu bringen. Wir waschen und reparieren beides.«
Er neigte gehorsam den Kopf und trat auf den Flur.
»Danke.«
Dann floh er.
Loretta schaute ihm nach, ehe sie die Tür mit einem leicht verächtlichen Schnauben schloss.
Jetzt, da sie die einzigen Passagiere an Bord waren, waren die Mahlzeiten wesentlich ruhiger, gemütlicher und ungestörter. Auch die Besatzung schien entspannter.
Während des Dinners am Abend machte Loretta im Geiste eine Bestandsaufnahme. Esme hielt wie stets die Unterhaltung in Fluss. Nach der ganzen Aufregung des Nachmittags gab es vieles, worüber sie reden wollte, sich wundern und was sie noch einmal durchleben musste.
Loretta durchlebte es auch, aber für sie hatten sich die bemerkenswerten Augenblicke nicht nur auf die Kirche beschränkt. Zugegeben, der Schreck, der sie durchzuckt hatte, als sie begriff, dass sie in einer Wallfahrtskirche überfallen wurden – so unglaublich und unvorstellbar das auch schien –, hatte sich unauslöschlich in ihren Verstand eingegraben. Quasi als Gegenwicht dazu stand die Erfahrung, zu sehen, wie sie gekämpft hatten, Hassans und Rafes unerschrockener Mut bei ihrer Verteidigung, ihr eigener Erfindungsreichtum und ihre Geistesgegenwart, mit der sie sich zur Wehr gesetzt hatten. Das war alles klar.
Es war Rafes Verwundung – ihre Reaktion auf die Erkenntnis, dass er verletzt war –, die sie beunruhigte. Sie war erleichtert, dass sie alle den Vorfall überstanden hatten, war aber gleichzeitig so … aufgewühlt , dass er verletzt worden war.
Sie konnte das, was sie dabei empfunden hatte und immer noch empfand, nicht angemessen benennen.
Später, nachdem Esme und sie sich ebenso wie ihre Zofen in ihre jeweiligen Kabinen zurückgezogen hatten, ließ ihr der Gedanke an Rafes Verwundung keine Ruhe, bis sie in ihre Pelisse schlüpfte und auf das Aussichtsdeck ging.
Sie musste sich wenigstens vergewissern, dass er nicht länger blutete.
Wie erwartet stand er an der Reling und hielt Wache. Er hörte sie die Stufen hochkommen und drehte sich zu ihr um. Beobachtete, wie sie das Deck überquerte.
»Ich wollte nach Ihrer Wunde sehen – wie fühlt es sich an?« Sie blieb neben ihm stehen und musterte sein Gesicht.
»Es ist …« Er zuckte die Achseln, bewegte den verwundeten Arm vorsichtig. »Wie zu erwarten.«
War das Blau seiner Augen etwas heller?
»Sie bekommen aber jetzt kein Fieber, oder?« Sie war in Versuchung, ihm eine Hand auf die Stirn zu legen, beherrschte sich aber.
Er lächelte schwach, wandte sich um und blickte in die Nacht.
»Mir geht es gut.«
Sie folgte seinem
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