Ein Tag im Maerz
Mädchen ein bisschen, wischte den letzten Rest Kaffee auf, erhob sich und strich ihr Kleid sauber. Sie wirkte leicht verlegen, aber Adam war froh, dass sie dabei gewesen war und der Situation mit ihrem eigenen ungewöhnlichen Verhalten ein wenig den Ernst genommen hatte.
»Wie heißt du eigentlich?«, fragte er. »Ich habe dich … na ja … schon ein paar Mal hier gesehen.« Er versuchte beiläufig zu klingen, als hätte er gerade erst bemerkt, wer sie war. Locker wollte er wirken, genau das Gegenteil davon, wie er sich wirklich fühlte. Tief in seinem Innern wollte er ein paar Minuten ihrer Zeit erbetteln, damit sie ihm erlaubte, ihr irgendwo etwas zu trinken zu spendieren.
Ihre Wangen waren rosa vor Glück. Das ist wirklich schön zu sehen, dachte Adam. Er kannte nur ihr melancholisches Auftreten. Die leuchtenden Wangen machten sie nur noch attraktiver.
»Bryony«, sagte sie, und plötzlich wirkte sie sehr wachsam.
Adam fragte sich, ob sie einen festen Freund hatte; denn genau so reagierte sie. Fast war es, als fühlte sie sich schuldig.
»Na, schön, dich richtig kennenzulernen, Bryony. Ich bin A…« Er kam nicht dazu, den Satz zu beenden, denn sie warf ihm einen entschuldigenden Blick zu, schoss zu ihrem Tisch, packte ihre Handtasche und ihre Jacke und schoss zur Tür hinaus. Sie knallte laut hinter ihr zu, und das alte Offen /Geschlossen-Schild klapperte gegen die Scheibe.
Schweigen breitete sich wieder im Café aus.
Zach rollte mit den Augen, eine Miene, die »Ich hab’s dir gleich gesagt« ausdrückte, dann machte er sich wieder ans Aufwischen.
19
Sweetest Thing.
Donnerstag, 14. Mai 2009
Crouch End, Nord-London
19 Uhr
Sara war sich nicht sicher, was sie dazu veranlasst hatte, zu dem Café auf der High Road zu gehen und sich die restlos bizarre öffentliche Zurschaustellung von Zerknirschung anzusehen.
Was empfand sie deswegen? War sie wütend? Gerührt? Gedemütigt? Verliebt?
Würde sie auf das vollkommen unverhohlene Flehen ihres Mannes um ihr Herz so reagieren, wie er und wahrscheinlich die gesamte zeitunglesende Öffentlichkeit es wollte?
Wie ein Lauffeuer hatte die Geschichte sich verbreitet. Sara konnte gar nicht genau sagen, wie sie zu der Sache stand, aber vor allem fühlte sie sich gedemütigt. Nervtötende Fernsehmoderatoren in steifen Anzügen hatten die Geschichte in den Sechsuhrnachrichten vorgelesen, sich ihren Kollegen zugewandt und irgendeinen oberflächlichen Scherz über die Situation geäußert. Gelangweilte Büroangestellte hatten sich gegenseitig mit Links auf Internet-Nachrichtenseiten bombardiert, während andere ihre Ansichten als offenbar niemals endenden Strom rührseligen Gefasels twitterten.
Doch Sara war auch überrascht. Tom war kein besonders bekannter Künstler. Und ganz gewiss wusste niemand, wer sie war. Das Ende ihrer Beziehung war nichts Ungewöhnliches – ständighatte jemand Schluss. Ihr war klar, dass Liebe etwas Vorübergehendes war, nichts von Dauer, ein empfindliches Flämmchen, das allzu leicht vorschnell gelöscht werden konnte. Nur hatte irgendetwas an ihrer Geschichte die Aufmerksamkeit der ganzen Stadt auf sich gezogen, auch wenn sie in nur ein paar Wochen oder sogar Tagen wieder vergessen sein würde wie jede andere »große Story« aus den Abendnachrichten. Jedem schien die Vorstellung zu gefallen, dass da eine Ehe zerbrach und der begabte Ehemann – eine traurige Gestalt in seiner Verlassenheit – versuchte, sich wieder in das Herz seiner geliebten Frau zu malen. Was die Öffentlichkeit noch stärker in den Bann zog, war das Geheimnnis um das Zerwürfnis. Bislang war es nicht preisgegeben worden. Am Ende hatte Sara das Gefühl gehabt, sie dürfe auf der Eröffnung nicht fehlen.
Offenbar teilte sie es mit zahlreichen anderen Menschen. Eine Schlange von wenigstens fünfzig Personen hatte sich vor dem Café gebildet. Die Leute schwatzten laut, rauchten und hielten Kaffeebecher in der Hand. Sogar ein paar Touristen standen an. Man erkannte sie an den Karten und Kameras, und einen Augenblick lang war Sara wirklich nach Lachen zumute.
Doch als sie an der Schlange vorbeiging und entdeckt wurde, und die Leute die Stimmen senkten, rutschte ihr das Herz in die Hose. Niemand protestierte, als sie sich am vordersten Wartenden vorbeischob und das Café betrat.
Sie war dem Anlass des Abends entsprechend angemessen gekleidet, fand sie. Sie trug eine leichte Lederjacke über einem eleganten schwarzen Top mit schwarzen Röhrenjeans.
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