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Ein Tag in Barcelona (German Edition)

Ein Tag in Barcelona (German Edition)

Titel: Ein Tag in Barcelona (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Brühl , Javier Cáceres
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Klaps auf den Rücken durch die Straßen Gràcias. Und dann: » Fins ara, Dani! « Ich liebe diese katalanische Verabschiedung – »bis jetzt!«. Man verabschiedet sich also eigentlich nicht voneinander, man will sich nicht trennen, man möchte sich sofort wiedersehen.
    Ach, Gràcia! Wie viele wunderbare Nachmittage habe ich hier mit meinem Freund Marc Rodríguez verbracht, dem spanischen James Cagney, einem begnadeten Film- und Bühnenschauspieler und Star am Teatre Lliure. Ohne es zu merken, spielten wir in den Straßen Gràcias Fellinis »I Vitteloni« nach, den Film, in dem die Charaktere durch die Cafés und Billardkneipen der Stadt zogen, ohne recht zu wissen, warum.
    Nach einem späten Frühstück auf meiner Lieblings-Terrasse in der Carrer de Terol, mit Tortilla de chorizo und Café con leche, haben wir uns häufig eine Frühvorstellung im Programmkino Verdi angesehen – gerne Klassiker von Luis García Berlanga, einem Regisseur, dem zu Unrecht der Weltruhm verweigert blieb, den französische oder italienische Regiekollegen seiner Zeit erlangten. Filme wie »Goodbye Mr. Marshall« oder »El Verdugo« sind cineastische Meisterwerke, sehr intelligent am Rand der damaligen franquistischen Zensur entlangerzählt – laute, schrille, dynamische Komödien über la España profunda, also die Gesellschaft in der tiefsten spanischen Provinz. Im Anschluss an unsere Kinobesuche wollten wir oft gern noch länger in den Fünfzigern verweilen und sind zu einem Barbier in der Straße Gran de Gràcia gegangen.
    Dort zog es uns immer hin, weil das Interieur seit der Eröffnung vor vierzig, fünfzig Jahren unverändert geblieben war und der Geruch der vergangenen Zeit aus dem Leder des Barbierstuhls strömte. Mit einer Zeitung haben wir uns dann in die gemütlichen, abgewetzten Sessel gefläzt, und wenn sich unsere Blicke im längst matten Spiegel trafen, mussten wir uns über unsere albern eitle Scharade kaputtlachen: Wir spielten elegante caballeros von damals und ließen uns rasieren, obwohl wir kaum Barthaare hatten.
    Frisch geschniegelt unterhielten wir uns noch ein wenig über die Läden, die hoffentlich niemals verschwinden würden: den Hutladen auf den Ramblas etwa oder das uralte Espandrilles-Geschäft in der Carrer d᾽Avinyó, wo die Menschen ab dem Frühjahr Schlange stehen, um die Schuhe mit Bastsohlen zu kaufen. Oder über den atemberaubenden Billardsalon am Ende der Ramblas, auf Höhe der Metro-Station Drassanes.

    In diesem legendären Kuppelsaal spielen noch immer die coolsten Hunde eine gepflegte Partie klassisches Billard, während man sich selbst an einem einfachen Pooltisch abmüht. Die alten Profis denken ewig über den nächsten Stoß nach, zücken einen Kamm, um die weißen Haare glattzustreichen, pusten bedächtig blaue Kreide von der sorgfältig eingeriebenen Queuespitze und nippen an einer Tasse Tee. Eine sakrale Stille herrscht in diesem alten Prachtbau, nichts vom verrückten Lärm der Ramblas dringt bis in den Salon, der aussieht, als hätte ihn Martin Scorsese als Kulisse für einen seiner frühen Mafiafilme errichten lassen.
    Dann verließen wir die Vergangenheit. Und stürzten uns ins Hier und Jetzt.
    Unser Spiel ging allerdings weiter, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Denn wir suchten uns die nächstgelegene Spielhalle und zockten, meistens umgeben von ketterauchenden Chinesen, um den weiteren Abend. Wir investierten ein bescheidenes Sümmchen und ließen das Glück entscheiden, welchen Verlauf er nehmen sollte.
    Entweder wir verloren und hatten nur noch Geld für Bierdosen und Baguettes mit Schinken, mit denen wir uns dann auf die Rinnsteine der Plaza del Sol setzten, wie es die jungen Menschen tun, seit die Krise das Land erfasst hat. Oder die Kugel fiel dorthin, wo sie hinsollte, und wir hatten genug Kohle beieinander, um uns ein Mahl im Restaurant Botafumeiro auf der Gran de Gràcia zu gönnen. Dort werden die vielleicht besten und teuersten Meeresfrüchteplatten ganz Spaniens gereicht, zudem ist man dort umgeben von Menschen, die den Cava, den katalanischen Perlwein, in Strömen fließen lassen. Und ein guter Cava steht selbst französischem Champagner in nichts nach.
    Allerdings ist uns das Austernschlürfen nur ein einziges Mal geglückt. Wir hatten beide alles auf die 17 gesetzt, weil wir eine wunderhübsche blonde Frau, die gerade vor der Spielhölle vorbeilief, auf dieses Alter schätzten. Dass die Abende mit spanischem Fastfood unter freiem Himmel deutlich zahlreicher

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